Greenkeeping: Im Zwiegespräch mit dem Gras
Das erste Mal, als ich zu verstehen begann, was Greenkeeping wirklich bedeutet, war ein Frühjahrstag irgendwann vor mehr als 20 Jahren. Ich war eine mittelmäßige Golferin, eine ambitionierte Journalistin und zum Start der Masters-Woche im Augusta National Golf Club wegen meines Jetlags nach einem Europa-Flug schrecklich früh wach. Mein Blick aus dem Fenster des Schlafzimmers fiel aufs das achte Grün des Cuscowilla Golf Clubs am Lake Oconee in Georgia, wo ich mich zur Masters-Woche einquartiert hatte, und auf Rusty Mercer. Jenen Rusty Mercer, der inzwischen im weltbekannten Streamsong Resort in Florida über Grüns und Gräser als Director of Agronomy wacht.
Gespür, Intuition und Antizipation
Rusty stand im Morgengrauen auf dem achten Grün, schritt es ab, strich über die eine oder andere Stelle des Grases, inspizierte, untersuchte, analysierte, verstand am Ende das, was sich an hier in diesem komplizierten Wechselspiel aus Gras, Erde, Luft, Wind und Wasser abspielte. In den folgenden Jahren, wann immer ich nach Cuscowilla kam, sollte ich ihn noch unzählige Male auf dem einen oder anderen Grün stehen sehen. Ohne Maschinen. Ohne Geräte. Greenkeeping, das habe ich dort gelernt, ist eben auch eine Frage des Gespürs für das Gras, der Intuition und der Fähigkeit zur Antizipation.
Es hat in den Jahren danach immer wieder Begegnungen mit Greenkeepern und Agronomen gegeben, die mir diesen Beruf ein gutes Stück verständlicher gemacht haben. Jene mit Simon Doyle zum Beispiel, inzwischen Vice-Präsident of Agronmy bei Troon, der mir im vergangenen Herbst erklärte: „Mit das Erste, was ich den Greenkeepern vor Ort beibringe, ist wie man das Gras richtig schneidet.“ Was so lapidar klingt, ist bei genauerem Hinsehen, eben eine spezialisierte Fertigkeit: Das richtige Messer, die passende Schärfe, die nötige Schnitthöhe, die perfekte Schnittzeit, die richtige Schnittkante – ein einziger Halm Gras kann so viel Technik erfordern, wobei wir an dieser Stelle noch nicht einmal über Bewässerung, Düngung und andere Detailaspekte des Greenkeepings sprechen.
Golfer und Greenkeeper: Raum für Diskussionen
Wer sich wie wir bei Golf Sustainable mit dem Thema Nachhaltigkeit auf Golfplätzen beschäftigt, hat sehr häufig mit Greenkeepern zu tun. Die Bandbreite an Fähigkeiten, an Wissen, an Motivation ist enorm. Wieso auch sollte es sich hier anders verhalten als in jedem anderen Beruf? Auch deshalb gerät der Golfer eben ab und mit dem Greenkeeper in eine Diskussion – manchmal berechtigt, manchmal nicht. Über Grüngeschwindigkeiten, Fairwayhöhen, Bunkerpflege oder das Timing von Aerifizierungsmaßnahmen lässt sich eben leicht diskutieren, wenn die eine Partei den Golfplatz nur zu Freizeitzwecken betritt und die andere ihn als ihren Arbeitsplatz betrachtet.
Klimawandel bringt Veränderungen
Fest steht, dass sich Greenkeeper wie Golfer im Moment stark umstellen müssen. Hitze versengt das Gras und trocknet die Wasserstellen aus. Starkregen spült den Bunkersand aus und setzt die Grünumfelder unter Wasser. Stürme reißen Äste weg und manchmal Bäume aus. Golfplätze brauchen neue Bewässerungsanlagen und Greenkeeper deren Wissen um Hinblick auf Gräser, Dünger, Schädlinge und Maschinen immer up to date ist. Golfer müssen höhere Beiträge und Umlagen akzeptieren. Das Verhältnis von Greenkeepern und Golfern wird angesichts all‘ der Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, auf die Probe gestellt.
Letzten Herbst hat mir Jan Andreas, Superintendent des Frankfurter Golf Clubs, einen längeren und ziemlich interessanten Vortrag über die optimierten Luftströme zwischen einigen Büschen entlang einer Spielbahn und deren Auswirkungen auf das Grün gehalten. Ich muss an dieser Stelle ehrlich gestehen, dass ich mir schlichtweg keine Gedanken über Luftzirkulationen mache, wenn ich auf einem Grün nach der perfekten Linie auf möglichst perfektem Gras suche. Golfer wie ich sind – ungewollt – manchmal eben auch nichtwissend und deshalb manchmal – unabsichtlich – ein wenig ignorant.
Mit dem Gras im Zwiegespräch
Wie sich das ändern lässt? Schwer zu sagen. Aber das Gespräch mit den Greenkeepern hilft und der Versuch des Greenkeepers, dem Golfer etwas zu erklären ebenso. Der gute Wille, mehr über das Thema Gras zu erfahren, ist beim Golfer ja da. Das persönliche Erlebnis ist oftmals der entscheidende Kickpunkt.
Für mich persönlich war eben der Blick auf das achte Grün des Cuscowilla Golf Clubs ein Augenöffner. Wenn ein Superintendent im stillen Zwiegespräch mit dem Gras verharrt, wie bei Rusty Mercer so oft der Fall, kann es dafür nur einen Grund geben: Dieser Golfplatz ist ihm wichtig. Welche bessere Nachricht kann es für die Golfer, die ihn bespielen wollen, geben?