Die Skiindustrie als Lehrstück für den Golfsport
Ein Sport, komplett abhängig von den Vorgaben der Natur: Diese Eigenschaft trifft auf den Skisport ebenso wie auf den Golfsport zu, weshalb beide Sportarten von den Folgen des Klimawandels und der Diskussion um eine möglichst nachhaltige Durchführung des Sports in hohem Maß betroffen sind.
Der Beginn der Weltcup-Saison 2023/2024 war im Skisport geprägt von einer heftigen Diskussion darüber, inwieweit die Weltcupsaison mit ihrem frühen Start im Oktober dem Klimawandel angepasst werden und ein paar Wochen nach hinten verschoben werden muss. „Die Frage, die am Ende über allem schwebt“, erklärt der Ex-Skirennläufer Felix Neureuther bei einer Pressekonferenz, sei die „Muss ich mich wirklich noch an dieses letzte bisschen Gletschernostalgie klammern? Oder erkenne ich die Probleme unserer Zeit und versuche zu zeigen, dass auch wir Skirennsportler bereit sind, unseren Beitrag für einen zeitgemäßen Rennsport zu leisten?“
Vom Natursport zum Schwarzen Schaf in Sachen Nachhaltigkeit
Einen Blick auf den Skisport sollte sich die Golfszene leisten. Sie liefert in gewisser Weise einen Best Practice Fall dahingehend, was man tun muss, um in den Medien und in der Öffentlichkeit in immer höherem Ausmaß als unnachhaltige Freizeitbeschäftigung betrachtet zu werden, obwohl einzelne Ski-Destinationen in hohem Maß an Nachhaltigkeitskonzepten arbeiten.
Skifahren war lange Jahr der Sport, der in Werbung und Medien für Begriffe wie Freiheit, Naturerlebnis, Lust auf Geschwindigkeit und Risiko aber auch Entspannung und Gesundheit stand. Zumindest wenn wir über die Begriffe Naturerlebnis, Entspannung und Gesundheit sprechen, trifft dies auch auf Golf zu.
Wer auf die mediale Berichterstattung zum Thema Skisport in den vergangenen fünf Jahren blick, Social Media Posts verfolgt und Podcasts hört, stößt inzwischen verstärkt auf andere Themen: Wasser- und Energieverbrauch beim Skifahren werden thematisiert, der hohe CO₂ Ausstoß bei der Anreise in die Skigebiete, die Naturzerstörung durch neue Lift- und Gondelkonstruktionen sowie neu entwickelte Pisten. Hinzukam in den vergangenen beiden Jahren die vermehrte Absage von Weltcup-Events, die aufgrund von zu hohen Temperaturen und fehlendem Schnee nicht durchgeführt werden konnten. Spitzenskifahrer wie etwa der US-Star Mikaela Shiffrin stellten sich gegen die FIS und ihren Umgang mit dem Thema Klimawandel. Die FIS selbst sorgte obendrein für einen Eklat, indem sie sich für „klimapositiv“ erklärte und sich durch Zertifikateeinkauf von Nichtregierungsaktion dem Vorwurf des Greenwashing aussetzte.
Der Skitourist selbst unterstützt das Negativ-Image dann noch durch eindrucksvolle Bilder von Schneebändern zwischen braunen Wiesenabhängen, die er mit seiner Go-Pro-Kamera bei der Abfahrt filmt. Von der Außenwirkung von Urlaubs-Aktivitäten wie Heli-Skiing, die ebenfalls nicht für Begeisterung bei Umweltschützern sorgen, sollte man einmal gar nicht zu sprechen. Kurzum: Um das Image des Skisports steht es nicht zum Besten.
Verglichen damit steht der Golfsport noch vergleichsweise gut da. Schließlich konnten hunderte von Golfanlagen in den vergangenen Jahren unter anderem mit ihren Biodiversitäts-Projekten punkten. Trotzdem lassen sich einige Lehren für die weitere Zukunft ziehen, wenn man einen Vergleich mit dem Skisport und der Skiindustrie zieht:
- Die Toleranzschwelle der nicht-golfenden Öffentlichkeit beim Bau von neuen Golfanlagen sollte man nicht überschätzen. Die Rede ist hier nicht von Golfanlagen wie dem amerikanischen Whistling Straits oder dem schottischen Kingsbarns, die auf Geländen entstanden, die landwirtschaftlich, militärisch oder industriell genutzt wurden. Die Rede ist vielmehr von Golfanlagen, die in Bereichen entstehen, die auch Naturschützer für wertvoll halten. Dünenbereiche zum Beispiel oder Wälder. Der Championship-Platz von Trump Aberdeen auf zum Teil wertvollem Küstengelände ist nur ein Negativ-Beispiel aus der Vergangenheit.
- Die Abholzung von Waldbereichen für Fairway- und Grünschneisen, vergleichbar den Skipisten, wird im Moment gerade in Ländern, die stark auf den Tourismus setzen wie Portugal, oder über große unbesiedelte Flächen verfügen wie Neuseeland verhalten diskutiert. Über die CO2-Bilanz des Baus solcher Golfplätze wird kaum gesprochen. Ein Blick auf die Posts, die zuletzt der Ausbau der Abfahrt Gran Becca auf dem Theodulgletscher bei Zermatt erzeugte, zeigt: Die genaue Auswahl von Neubauflächen für Golfanlagen ist erforderlich. In die Umweltbilanzierung einer Golfanlage fließt eben nicht nur ein, was mit dem Bau an positiven Maßnahmen neu hinzugefügt wird, sondern auch, was im Rahmen des Baus entfernt wurde. Frühzeitige Kommunikation und genaues Abwägen der Standorte für neue Golfanlagen ist erforderlich.
- Das Thema Wasserverbrauch ist nicht nur im Ski- sondern auch im Golfsport ein Dauerbrenner und extrem emotional besetzt. Die zunehmende Verwendung von Drohnen mit Kameras, die über Skipisten und Golfplätze fliegen, trägt nicht zu einer sachlicheren Diskussion bei. Froßflächige Übersichtsbilder von Skigebieten, die aus weißen Pistenspuren mit viel brauner Landschaft in der Umgebung daneben bestehen, finden schwer Anklang in der breiten Öffentlichkeit. Da geht es dem Golfsport nicht anders: Der Solheim Cup im spanischen Finca Cortesin fand auf einem Golfplatz statt, der mit Klärwasser beregnet wird. Diese nüchterne Erklärung kommt beim TV-Zuschauer kaum an, wenn er Überflugsbilder sieht, die tiefgrüne Spielbahnen in einer weitgehend vertrockneten Landschaft zeigen. Daraus ergeben sich Herausforderungen an die Kommunikation der Golfanlagen, die es zu lösen gilt.
- Während zahlreiche Top-Skisportler inzwischen ihre Stimme für eine nachhaltigere Entwicklung des Weltcups erheben, ist von Seiten der Profisportler bis dato kein wirklich hörbarer Protest zur Durchführung der verschiedenen Touren zu hören. Das muss nicht so bleiben. Es könnte sich ändern, wenn Sportler in ihrem privaten Umfeld selbst stark vom Klimawandel betroffen werden. Eine frühzeitige Einbindung und Information der Profis, ihre Einbindung in einen Veränderungsprozess hin zu einem nachhaltigeren Golfsport, könnte eine spätere Konfrontation verhindern.
- Der Skisportler steigt mit Helm, Skiern und Skischuhen eben ungern in einen Zug. Genausowenig wie der Golfer mit seinem Bag. Sowohl die Skipiste als auch der Golfplatz sind obendrein meist schwer direkt mit dem Zug erreichbar. Noch empfindet der Golfer seine eigene Mobilität, sei es zum Urlaubsort oder zum 25 Kilometer entfernten Golfclub, nicht als Problem. Anders ist das bei zahlreichen Skifahrern, die sich zum Beispiel aus dem Raum München Samstags frühmorgens geballt auf einer der Autobahnen Richtung Kitzbühel, einem der führenden Skiorte weltweit, bewegen. Da stellt durchaus der eine oder andere Skifahrer für sich die Ausübung des Sports an sich in Frage. Die Thematisierung des Thema An- und Abreise sowie Flugverhalten ist im Golfsport, der auch einen starken Tourismusteil hat, unbedingt erforderlich.
Der Klimawandel mit seinen kurzfristigen Wetterveränderungen ist schwer kalkulierbar. Weshalb Hoteliers und Liftbetreiber in klassischen Skinationen wie Österreich oder der Schweiz seit einigen Jahren jeweils im November angstvoll auf die Wetterprognosen starren. In so manchem Skigebiet, wie etwa dem österreichischen Dachstein-Gletscher, hat man bereits begonnen Liftanlagen abzubauen. Wer die Schließung von Golfanlagen in Regionen, die stark von Dürre oder Überschwemmungen betroffen sind, auf Dauer vermeiden will, kann von einem Blick auf die Skiindustrie vor allem eines lernen: Allein vorausschauende Planung, Weitsicht und Anpassung helfen, um Krisen zu verhindern.