Rote Karte für das Mulchen
Mulchen – den Begriff kennt so mancher Golfer aus den Beeten im heimischen Garten. Gemeint ist die Verwendung von organischem Material zur Bedeckung des Bodens, um dessen Qualität zu verbessern oder das Aufkommen von Unkraut zu verhindern. Ein Begriff also, der positiv besetzt ist. Anders ist die Lage auf dem Golfplatz. Wenn es um das Mähen des Hardroughs der Golfanlagen geht, ist Mulchen eigentlich tabu.
Der Grund: Hier kann Mulchen der Biodiversität oftmals schaden, vor allem wenn es um naturnahe oder artenreiche Wiesen geht oder um Flächen, deren Artenvielfalt man weiter steigern will. Die Ansage von Fachleuten ist dabei klar. „Mulchen wollen wir möglichst vermeiden, weil es schlecht für die Biodiversität“ ist, erläutert etwa Gunther Hardt, Leiter des Arbeitskreis Biodiversität im Deutschen Golf Verband. Und auch bei Vertretern des Landesbund für Vogelschutz in Bayern, die im Rahmen des Blühpakt Bayern für die Beratung und Begutachtung der Hardroughs auf Golfplätzen zuständig sind, ist Mulchen unerwünscht.
Die Gründe dafür sind vielfältig:
- Die Artenvielfalt verringert sich: Durch das Mulchen wird die Biomasse der Pflanzen zerkleinert und auf der Oberfläche der Wiese verteilt. Diese Schicht organischen Materials verhindert, dass Licht den Boden erreicht, wodurch sich weniger konkurrenzstarke Pflanzenarten und Keimlinge schwerer etablieren können. Arten, die auf offene Bodenstellen angewiesen sind, wie viele Wildblumen oder Kräuter, verschwinden nach und nach.
- Der Boden wird zu stark mit Nährstoff angereichert: Mulch führt oft zu einer zusätzlichen Nährstoffanreicherung des Bodens, vor allem durch die Zersetzung des organischen Materials. Dies fördert nährstoffliebende Arten, während nährstoffärmere, oft seltenere Pflanzenarten verdrängt werden. Es kann zu einer Monokultur dominanter Gräser kommen.
- Lebensräume gehen verloren: Durch das Mulchen wird das Habitat für viele Insektenarten, Spinnen, Amphibien und bodenbrütende Vögel zerstört. Diese Organismen sind auf ungestörte, strukturreiche Wiesen angewiesen. Mulchmaterial kann die Lebensräume verschließen und den Zugang zu Nahrung oder Verstecken behindern.
- Insektenpopulationen werden unterdrückt: Das Mulchen kann Insekten, die in der Vegetation leben, direkt töten oder vertreiben. Insbesondere Bestäuber wie Schmetterlinge, Bienen und Käfer leiden unter der Zerstörung ihrer Nahrungsquellen und Lebensräume. Dies wirkt sich negativ auf das gesamte Ökosystem aus, da Insekten eine wichtige Rolle bei der Bestäubung und als Nahrungsquelle für andere Tiere spielen.
- Die Bodenfauna wird ärmer: Durch die Mulchschicht wird der Boden oft luftundurchlässig und feucht, was das Mikroklima des Bodens verändert. Dies kann negative Auswirkungen auf Bodenorganismen wie Regenwürmer und andere Bodentiere haben, die für die Bodenstruktur und den Nährstoffkreislauf entscheidend sind.
- Invasive Arten werden gefördert: Mulchen kann auch das Wachstum invasiver Pflanzenarten begünstigen, die an nährstoffreichere oder gestörte Standorte angepasst sind. Diese Pflanzen können sich schnell ausbreiten und einheimische Arten verdrängen, was die Biodiversität weiter verringert.
Fazit: Die Wiese wird mit der Zeit immer artenärmer, häufig ist sie durch Brennnesseln und dicht wucherndes Gras gekennzeichnet.
Den meisten Greenkeepern in Deutschland sind diese Tatsachen bewusst, weil sie im Rahmen der Ausbildung vermittelt werden. Trotzdem stellen nicht nur die Fachleute des Landesbund für Vogelschutz in Bayern bei der Besichtigung der Anlage fest, dass es vergleichsweise viele Anlagen gibt, die ihr Mähgut nicht abtragen. Auch Gunther Hardt registriert. „Vielen Golfclub fehlen entweder die nötigen Maschinen, ausreichend Personal oder sie haben nicht das Budget, um das Mähgut zu entsorgen“ Das nämlich kostet in Deutschland häufig Geld, selbst dann, wenn aus dem Schnittgut Biogas oder Kompost wird.
„Dabei darf man außerdem nicht übersehen, dass Golfclubs im Landschaftspflegerischen Begleitplan oftmals sogar die Auflage erhalten haben, das Schnittgut zu entsorgen“, gibt Hardt zu bedenken. „Das Wissen um diese Auflage geht mit dem Wechsel von Greenkeeping-Personal oder Vorständen oftmals verloren.“
Liegenlassen und Nichtstun ist auf den ersten Blick die einfachste und kostengünstigste Anlage. Schließlich verrottet das Schnittgut mit der Zeit. Die Alternativen sind erst einmal aufwändiger: Wer einen Landwirt sucht, der die Wiesen abmäht und das Schnittgut für sich verwendet, muss sich mit diesem abstimmen, ihn manchmal auch bezahlen. Wer das Schnittgut selbst aufsammelt, braucht die richtigen Maschinen und muss die Schnittgutmassen anschließend entweder auf der eigenen Anlage auf einem dafür geeigneten, befestigten Untergrund lagern oder sie wegfahren. Und wer obendrein noch richtig mähen will, sollte einen Doppelmessermähbalken besitzen oder zumindest einen Kreiselmäher.
Der Erfolg: Artenreiche Wiesen
Das Mähen des Hardroughs, so stellt sich heraus, ist hohe Kunst. Trotzdem schaffen es zahlreiche Golfanlagen in Deutschland, weil das Thema Biodiversität für sie wichtig ist. Golfclubs, die im Rahmen des Blühpakt Bayern – eine Kooperation des Bayerischen Umweltministerium und des Bayerischen Golfverbandes – ausgezeichnet werden, sind ohnehin verpflichtet, auf das Mulchen zu verzichten. Gleiches gilt auch für ausgezeichnete Anlagen im Rahmen des Projektes Lebensraum für Golfplatz in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Auch in zahlreichen anderen Bundesländern haben sich viele Golfanlagen längst für diese Mähvariante entschieden, obwohl sie aufwändiger ist.
„Wer artenreiche Bestände will, der muss auf Mulchen verzichten“, erklärt Hardt bestimmt. Immerhin: Wer dieser Devise über einige Jahre verfolgt, wird auch belohnt. Statt eintönigem fetten Gras durchsetzt mit Brennesseln entwickeln sich Wiesen mit Kräutern und Blumen. Die Vielfalt zieht Insekten und Wiesenbrüter an. Die Wiese lebt.