Bergkramerhof: Pilotprojekt mit Mährobotern und ohne Pestizide
„Momentan sind wir jeden Tag am Anschlag. Termine und Arbeit ohne Ende.“ Das klingt ernst, aber der Mann, der diesen Satz sagt, wirkt bester Dinge: Olaf Gühring, der Zeit seines Lebens als Pilot rund um die Welt flog, und seine Frau Dorothee, die als Flugbegleiterin und Koordinatorin im gleichen Business unterwegs war, sind seit 14 Monaten Eigentümer der Golfanlage Bergkramerhof im oberbayerischen Wolfratshausen. „In der Silvesternacht 2022 hatten wir den Golfplatz an der Backe“, beschreiben die beiden ihren Weg von Hobbygolfern zu Golfplatzbetreibern, der schnell, spontan und überraschend verlief. Das kommt bei Besitzerwechseln in der Golfszene immer wieder einmal vor. Die Geschichte ist für die Golfszene aber vor allem deshalb erzählenswert, weil sie auch einen interessanten Best Practice Fall zum Thema Greenkeeping liefern wird.
„Wir haben eine Blumenwiese bekommen“
Der Golfplatz des Bergkramerhof wird seit längerem komplett ohne Verwendung von Pflanzenschutzmitteln betrieben. Der Zustand bei der Übergabe aber war so miserabel, „dass es schlimmer eigentlich nicht werden konnte“, wie Dorothee Güring es beschreibt. „Wir haben einen Golfplatz gekauft und eine Blumenwiese bekommen“, erinnert sich ihr Mann. Aus einem eigentlich sehr guten Golfplatz in herausragender Lage mit Blick ins Gebirge war ein heruntergewirtschaftetes Projekt mit gerade einmal knapp über 100 Mitgliedern, maroden Gebäuden und einem miserablen Ruf geworden. Das Gute daran: Es konnte nur besser werden.
Das Ehepaar Gühring will vieles, am liebsten alles besser machen. Dazu gehört auch das Bekenntnis zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Viereinhalb Golfbahnen liegen in Wasserschutzzone 2 und 3, der Einsatz von Chemie ist damit kein Thema. „Bei einer Freizeitbeschäftigung brauchen wir keine Chemie“, stellt Dorothee Gühring fest. Weshalb Headgreenkeeper Thorsten Cramer, der für die Firma Sommerfeld als Teamleiter im Einsatz ist, den üppigen Unkrautmengen auf den Fairways vor allem mit viel mechanischen Methoden, Sand und Nachsaaten zu Leibe gerückt ist. Zum Start der Saison 2024 beweist ein kritischer Blick auf die Fairways: Es hat geklappt. Die Spielbahnen sehen gut aus. Mit sechs Greenkeepern wird der 18-Löcher-Betrieb geführt. Für Zusatzarbeiten wie Renovationsarbeiten, Baumschnitt und ähnliches kommt Extra-Personal.
„Das trauen wir uns zu“
Für die Firma Sommerfeld ist der Bergkramerhof ein Pilotprojekt. Inhaber Frank Sommerfeld will hier austesten, wie das Greenkeeping der Zukunft aussehen wird. „Das war der explizite Wunsch des Kunden. In einem dreitägigen Workshop sind wir erst einmal das Für und Wider sowie die Risiken durchgegangen. Am Ende haben wir gesagt: Das trauen wir uns zu.“
Angesichts der Tatsache, dass die EU längst über das komplette Verbot von Pflanzenschutzmitteln diskutiert, braucht die Firma ohnehin Erfahrungswerte. Unter dem neunten Grün des Platzes im Großraum München sind nun vier Sonden verbaut, die alle Bodenwerte in Echtzeit in die Zentrale übermitteln. Jeweils die Hälfte des Grüns wird mit veränderten Pflegegaben versehen. Am Ende erhofft man sich Leitlinien, die auch auf andere Anlagen angewandt werden können.
Nach dem ersten Jahr kann Sommerfeld erste Schlüsse ziehen: „Aktuell liegen wir etwas unter der Qualität, die wir mit konventioneller Pflege erzielt hätten, das liegt aber sicher auch daran, dass wir noch Erfahrung sammeln müssen.“ Insgesamt ist Sommerfeld zufrieden, sagt aber auch: „Die Kosten sind etwa 15 Prozent höher als im konventionellen Betrieb.“ Erfahrene, gut ausgebildete Greenkeeper sind Teil des Erfolges..
Gleiches gilt für die Mähroboter, die derzeit den kompletten Platz mähen. Elektrifizierung, da ist sich Gühring sicher, ist das Modell der Zukunft. Er lässt gerade auf allen Hausdächern Photovoltaik montieren. Grüner Strom soll in dieser Saison auch die Energiekosten der Golfanlage senken. Alle Greenkeepingmaschinen, alle Fahrzeuge hier haben Elektromotoren. Mit dem Mähbild der Mähroboter ist Gühring zufrieden, bei anderen Bereichen im technischen Bereich hoffen er und Sommerfeld noch auf technische Optimierungen. Die Rückkehr zu fossilen Energien aber ist für Gühring keine Option mehr.
In ein paar Wochen wird das auch auf den Parkplätzen sichtbar sein. Zwölf E-Tankstellen werden installiert. Die Hälfte davon für Golfer, die Hälfte für den normale Autofahrer, die dann auf der neuen Terrasse des Clubhauses vielleicht den Blick in die Berge genießen, während ihr Fahrzeug lädt.
Die Teilnahme am Programm „Golf und Natur“, die im Bayerischen Golfverband finanziell gefördert wird, war angesichts der Gesamtausrichtung des Unternehmens nur schlüssig. Dabei ist dem Ehepaar aber wichtig, dass dies „ein Golfplatz für alle ist.“ Das Thema Naturschutz ist Standardprogramm, es soll sich aber nicht aufdrängen.
Das sorgt offenbar für Anklang. Am ersten Januar 2023 war die Mitgliederliste bei Null, inzwischen hat man die 700er Marke genommen. „Trotzdem ist das natürlich noch ein großes Zuschussgeschäft“, resümieren die Neu-Eigentümer. „Aber wir sind sehr zufrieden, die Zukunft sieht gut aus.“ Die Münchener Golf-Kundschaft lässt sich von der Tatkraft des Ehepaars mitreißen. „Es zieht einfach, dass hier jeden Tag etwas passiert“, stellt Olaf Gühring fest. Dabei gäbe es durchaus Golfer, die gerade wegen der pestizidfreien Pflege Mitglied geworden seien. Für die meisten anderen sei es eher ein erfreulicher Nebeneffekt.
Sie selbst hätten sich in ihrem früheren Berufsleben definitiv nicht als Pioniere in Sachen Umweltschutz verstanden, erklärt Gühring mit einem Lächeln. „Wer als Pilot arbeitet, weiß, was er da in die Luft jagt.“ Aber die Übernahme des Golfplatzes habe ihr Verständnis ziemlich verändert. Jetzt ist das Business eben ein anderes – eines, das nur mit intakter Natur funktioniert. „Wir machen das jetzt so“, sagt Gühring. Und auch bei diesem Satz wirkt er immer noch bester Dinge.