Vision 2050: Lasst uns über Gras sprechen
Gras ist sein Ding. Der Niederländer Niels Dokkuma, Agrarwissenschaftler mit Abschlüssen von der HAS green academy und der Penn State University, ist zum einen beim Königlich Niederländischen Golfverband als Agronom für Sustainable Management zuständig, zum anderen aber auch bei der European Golf Association. Daneben verfügt er über Berufserfahrung auf so renommierten Plätzen wie Baltusrol in den USA. Wir wollten in der Serie Vision 2050 von ihm wissen, wie die Zukunft des Golfsports aus der Sicht eines Grasspezialisten aussehen könnte. Die gute Nachricht zuerst: Auch 2050, so Dokkuma, wird es noch Golfplätze geben – sie werden womöglich nur anders aussehen.
Sie sind jetzt 40 Jahre alt. Glauben Sie, dass Sie auch 2050 noch Golf spielen?
Dokkuma: Oh ja, absolut. Aber für mich ist das Golfspiel in erster Linie ein Freizeitvergnügen. Ich bin da nicht wettbewerbsorientiert. Aber ich bin überzeugt, dass ich die nächsten Jahrzehnte spielen werde.
Was fasziniert Sie am meisten? Ist es die Natur, das Spiel oder die Menschen, mit denen Sie spielen?
Dokkuma: Auf jeden Fall die Naturkomponente. Das macht den Sport für mich einzigartig. Der Kampf mit der Landschaft, die verschiedenen Lagen, die man bekommen kann, die Schlagwinkel, die Einschätzung der Entfernung, das Design des Platzes. Aus professioneller Sicht schätze ich einen qualitativ hochwertigen Golfplatz im Hochsommer. Ich selbst mag extrem manikürte Golfplätze nicht so gerne, weil sie mir zu künstlich sind.
Was glauben Sie, wie ein Golfplatz in 30 Jahren aussehen wird?
Dokkuma: Weniger perfekt gestaltet und manikürt. Was die Ressourcen angeht, und dabei ist es mir egal, ob es sich um Arbeitskräfte, Sand oder andere Ressourcen handelt, werden wir eine geringere Verfügbarkeit in Verbindung mit einer strengeren Gesetzgebung erleben, z. B. bei der Entwicklung der biologischen Vielfalt, der Entwicklung der Natur und dem Einsatz von Pestiziden. Das wird den Übergang zu einem Golfplatz mit geringerem Aufwand erleichtern, bei dem das Qualitätsniveau weiter entwickelt wird.
Werden die Golfplätze generell von der Fläche kleiner werden, weil es diese anhaltende Debatte über die Landnutzung für Golfplätze gibt?
Dokkuma: Das kann in zwei Richtungen gehen – unsere Golfplätze könnten kleiner und intensiver genützt werden. Oder wir könnten darüber nachdenken, so sogar zu vergrößern und sie damit mehr der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Ich denke da zum Beispiel an Golfplätze, die wirklich sehr weitläufig angelegt sind und viel Platz für eine multifunktionale Nutzung bieten, sei es zum Reiten oder für Spazierwege usw. Das wäre dann so etwas wie ein öffentlicher Park für 250 Hektar, mit einem Golfplatz und allen möglichen anderen Funktionen dazwischen. Das klingt aus meiner Sicht auch gut.
Die EU strebt an, im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, und mehrere Sportorganisationen und Golfverbände haben das gleiche Ziel. Ist das aus Ihrer Sicht erreichbar?
Dokkuma: Bisher haben wir alle in der Golfbranche den Eindruck, dass die Plätze aufgrund der Bäume und des Grases auf den Golfplätzen CO₂-positiv sein können. Bei großen Turnieren spielt natürlich die Mobilität der Golffans eine große Rolle für den CO₂-Wert. Aber auch in einem durchschnittlichen Golfclub ist allein der Weg mit dem Auto zum Golfclub und zurück ein Problem für die Emissionen. Dieses Mobilitätsproblem könnte jedoch durch den Einsatz von mehr Elektroautos gelöst werden. Der Golfsport könnte dabei eine Vorreiterrolle spielen, denn der durchschnittliche Golfspieler ist ein früher Nutzer von Elektroautos, die in der EU ja in der Nutzung von einigen Regierungen steuerlich begünstigt werden.
Als Agrarwissenschaftler ist Gras Ihre Kernkompetenz. Werden wir im Jahr 2050 völlig andere Gräser auf den Golfplätzen sehen und auf viel mehr Gräsern spielen, die derzeit nur in südlichen und sehr warmen Regionen zum Einsatz kommen?
Dokkuma: Das wird vom Klimawandel abhängen. Die Verwendung von Gräsern wird sich definitiv verschieben, wobei Bermuda und Zoysia auch mehr im Norden eingesetzt werden. Golfplätze werden von Bentgras auf Bermuda umsteigen, weil Bentgras in bestimmten Klimazonen nicht haltbar ist. Wir haben das bereits in den Vereinigten Staaten oder in Südspanien gesehen, wo die Plätze mit diesen Gräsern nicht mehr nachhaltig betrieben werden konnte. Zunächst einmal könnte es schwierig werden, die Qualitätsstandards zu erreichen, dann wird der Ressourceneinsatz wichtig. Aber wir werden auf jeden Fall noch viele Innovationen bei den Rasensorten und Entwicklungen sehen.
Spielen wir im Jahr 2050 vielleicht viel mehr auf Kunstrasen?
Dokkuma: Die Frage ist doch: Passt Kunstrasen zur Funktion des Golfspiels in der Naturlandschaft? Wenn er passt, wird er mehr zum Einsatz kommen. Andererseits sprechen wir darüber schon seit 30 Jahren und es kommen alle möglichen Umweltthemen auf uns zu. Ich bin der Meinung, dass es generell immer eine Nische für den Golfsport geben wird. Aber ich glaube nicht, dass wir komplette 18-Löcher-Plätze aus Kunstrasen sehen werden.
Mit dem Klimawandel tauchen immer mehr Insekten auf und suchen sich neue Lebensräume. Gleichzeitig gibt es eine Tendenz zu einer pestizidfreien Gesetzgebung. Wie können die Greenkeeper in Zukunft mit all den Insekten umgehen?
Dokkuma: Je mehr Artenvielfalt wir auf den Golfplätzen haben, desto mehr natürliche Feinde für Insekten gibt es. In einer Monokultur kann sich ein Insekt schneller entwickeln. Das ist also die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass der Wegfall von immer mehr chemischen Insektiziden auch die Entwicklung biologischer Insektizide bedingt. Die größte Herausforderung sind vielleicht nicht einmal die Insekten, sondern die Unkräuter und ihre Bekämpfung.
Was bedeuten diese Herausforderungen für den Greenkeeper und seine Ausbildung?
Dokkuma: Wir brauchen mehr datengestütztes Greenkeeping, aber auch mehr Wissen.Die STERF-Forschung in den skandinavischen Ländern hat bereits gezeigt, wie wichtig all‘ dieses Fachwissen sein kann. Was die Clubs betrifft, so werden wir eine größere Differenzierung der Qualitätsniveaus bei den Clubs sehen – mehr als jetzt. Die Top-Clubs werden über die Mittel verfügen, um den integrierten Pflanzenschutz anzuwenden, mit Daten zu arbeiten und ihr Wissen zu erweitern, damit sie ihre Ziele zu erreichen. Clubs der unteren Kategorie werden weniger Ressourcen haben, um sich darum zu kümmern.
Wenn Sie in die Geschichte zurückblicken – was können wir von den alten, klassischen Kursen für die Zukunft lernen?
Dokkuma: Mit einer Umwelt im Wachstum, also Gras, arbeitet man sowohl ober- wie auch unterirdisch. Das ist natürlich ideal auf einem Links-Course mit drainierendem Sand und ohne Bäume. Das sind perfekte Bedingungen für Gras. Ich kann mir viele Golfplätze vorstellen, die keine idealen Wachstumsbedingungen in Bezug auf Bäume und Schatten bieten. Das ist dann ein begrenzender Faktor. Dennoch lässt sich sowohl in der oberirdischen als auch in der unterirdischen Wachstumsumgebung eine Menge erreichen, um über die Jahre hinweg Verbesserungen zu erzielen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind der Superintendent Ihres Traum-Golfclubs, und Sie können drei Entscheidungen für eine bessere Zukunft des Golfplatzes treffen. Welche Entscheidungen treffen Sie?
Dokkuma: Erstens, die Dinge, die ich gerade erwähnt habe – verstärktes Arbeiten an der oberirdischen Umgebung und vor allem an der unterirdischen Umgebung. Wir müssen uns um die Ursachen kümmern, nicht um die Symptome. Der zweite Punkt ist die Kommunikation – das Management von Erwartungen beim Golfer. Der dritte Punkt wäre: Daten sammeln und analysieren, denn was man nicht messen kann, kann man auch nicht managen.