Verzicht aufs Overseeding wird salonfähig
Der Verzicht aufs Overseeding wird salonfähig: Der Earth Course von Jumeirah Estates, alljährlich Schauplatz der DP World Championship, wird nun bereits zum zweiten Mal zum Saisonfinale ohne Overseeding, also Austausch des Grases für die Wintermonate, gespielt. Dadurch, so die DP World Tour, seien bis dato 20 Millionen Wasser eingespart worden, ein deutlicher Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit. Der Verzicht auf das Overseeding bedeutet für die Betreiber von Jumeirah Estates aber nicht nur Einsparungen beim Wasser, sondern auch bei Grassamen, Treibstoff, Zeit und Arbeitskraft. Damit steht der Earth Course von Jumeirah Estates auch als wichtiges Gegenbeispiel für alle Verfechter des Overseeding-Prozesses, die mit einer deutlich besseren Qualität der Plätze argumentieren, bei denen das Bermuda-Gras in den Wintermonaten durch Gräser für kühlere Temperaturen ersetzt wird. Auf dem benachbarten Fire Course von Jumeirah Estates wurde ohnehin nie ein Overseeding durchgeführt.
Wendepunkt noch nicht erreicht
„Wir sehen definitiv eine leichte Bewegung weg vom Overseeding“ stellt Simon Doyle, Vize-Präsident für Agronomie bei Troon International, weltweit führender Dienstleiter im Greenkeeping von Golfanlagen, fest, wenn es um den internationalen Trend geht. „Der Wendepunkt ist noch nicht erreicht, aber uns erreichen immer mehr Fragen von unseren Kunden, die sich dahingehend informieren wollen.“ Doyle verweist in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf das Resort Costa Navarino in Griechenland mit immerhin vier Golfplätzen. „Hier gehen wir jetzt ins zweite Jahr ohne Overseeding und sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen des ersten Jahres.“
Neue Farbgebung auf US-Anlagen
Auch in den USA ist der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Pflege von Golfplätzen leicht erkennbar: Der Golfer stößt während der Wintermonate auf so manchem Platz auf ein optisch faszinierendes Gemisch aus tiefgrünen Abschlägen, Vorgrüns und Puttflächen neben hellbraunen Fairways. Noch vor 15 Jahren war Overseeding Standard, weil sowohl der einheimische US-Golfer wie auch der Tourist von Golfplätzen in Florida, Kalifornien oder South Carolina tiefgrüne Spielflächen erwartete. Deshalb wurde für die Wintermonate im Herbst auf die Fairways mit ihrem Bermudagras, das über den Winter aufgrund der kühlen Nächte braun wird und „schläft“, Rye- oder Blue-Gras gesät. Das sorgte dann auch von November bis März für tiefes Dunkelgrün auf den Spielflächen.
Die Zeiten haben sich geändert: Speziell in den Privatclubs im Süden Amerikas ist Overseeding nur noch selten ein Thema. Laut Chris Hartwiger, Direktor des Beratungsservice der Green Section der United States Golf Association, sorgten bereits die Rezession im Jahr 2009 und zunehmende Nachhaltigkeitsstandards dafür, dass zahlreiche Golfplätze in den Südstaaten den Overseeding-Prozess deutlich reduzierten.
50.000 Dollar Anreiz für Golfanlagen
In Kalifornien, seit mehr als zwei Jahrzehnten ein Bundesstaat mit permanentem Wassermangel, gingen Gemeinden und Wasserversorger sogar so weit, Golfplätzen eine Entschädigung zu bieten, wenn sie auf den wasserintensiven Prozess verzichteten. Das Palm Spring City Councel zum Beispiel zahlte Plätzen zeitweise 50.000 Dollar, wenn sie größere Flächen aus dem Overseeding-Prozess nahmen.
Unabhängig von wirtschaftlichen und klimatischen Vorgaben ist für die Golfplatzbetreiber immer noch eine Frage entscheidend: „Wie reagiert der Golfer auf die Tatsache, dass er die Wintermonate vermehrt auf weniger grünem Gras spielt? „Das Ganze ist ein Lernprozess“, stellt Simon Doyle von Troon fest. „Die Golfer müssen sich an die Farbänderung gewöhnen“. Dabei aber spielen Profiturniere eine wesentliche Rolle: Die American Express Championship auf dem Pete Dye Course von La Quinta findet inzwischen auch auf einem Platz statt, der nicht overseeded ist und Teil der PGA Tour ist. Die TV-Übertragung im Fernsehen beweist dem Golfer, dass der Verzicht aufs Overseeding nicht gleichzeitig einen Qualitätsverlust bedeutet. Steigende Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Fall eben auch, dass sich der Golfer langsam mit neuen Greenkeeping-Methoden vertraut macht.
Deutliche Kostensenkung
Leichter wird die Überzeugungsarbeit oftmals auch durch Kostenargumente: Auf Privatplätzen in South Carolina, Kalifornien, Georgia, auch in Florida wird in hohem Ausmaß auf Overseeding verzichtet, weil man dort ohnehin fast ausschließlich die eigenen Mitglieder auf dem Platz hat, die sich an die neue Farbgebung schnell gewöhnt haben. Die Kosteneinsparung ist enorm. Die kompletten Kosten für einen Durchschnittsplatz von 60 Hektar werden mit mindestens 600.000 Dollar kalkuliert.
Selbst absolute Top-Anlagen lassen den wasser- und kostenintensiven Saatprozess inzwischen weg. Dies gilt sowohl für Spitzen-Privatclubs wie Yeaman’s Hall nahe Charleston (Bild oben), der zu den 100 besten Plätzen Amerikas zählt, aber auch für das High-End Resort Pinehurst mit seinen neun Golfkursen. Dort begann man bereits 1997, ein wirtschaftlich schwieriges Jahr, mit einer Änderung des Pflegeprogramms. Zuerst wurde das Rough aus dem Overseeding-Programm herausgenommen und blieb braun. Über die Jahre folgten weitere Flächen. Die Kommunikation des Resorts im Hinblick auf die neue Optik war dabei klar positiv: Der Verzicht auf das Overseeding-Programm wurde auch als Rückkehr zu einer traditionelleren und historischen Form des Golfs gefeiert.
Inzwischen haben sich Amerikas Golfer längst an die braunen Winterplätze gewöhnt, während so mancher internationale Gast auf den ersten Blick vielleicht überrascht auf die Farben reagiert. Nach der ersten Runde ist die Skepsis aber überwunden. Was die Spielqualität von Bermudagras im Winter anbelangt, so ist sie erstklassig. Die Plätze spielen sich fester, die Bälle laufen weiter. „Firm and fast“ ist der Ansatz, den die Architekten der Golfplätze wie Pinehurst oder Yeaman’s Hall bereits Anfang des 20. Jahrhunderts verfolgten, als Golf mit wenigen Mitteln, ohne ein Übermaß an Wasser, Dünger und Personal möglich sein musste. Es funktioniert noch heute bestens.