Sandra Gal: Berufsgolferin und Umweltschutz – geht das?
Sandra Gal ist Deutschlands international bekannteste Proette. Die geborene Düsseldorferin spielt seit 2008 auf der LPGA Tour, gewann dort 2011 die Kia Classic und gehörte zweimal zu Europas Solheim Cup Team. Seit Jahren beschäftigt sie sich verstärkt mit den Themen Meditation, Ernährung und Umweltschutz. Wegen einer Verletzung musste sie im Jahr 2019 eine längere Spielpause einlegen.
Sie sind seit 2008 auf der LPGA Tour. Das Thema Nachhaltigkeit nimmt im Golfsport an Fahrt auf. Aus der Sicht der Proette: Inwieweit ist Profisport tatsächlich nachhaltiger geworden, gibt es wirklich Bestrebungen etwas zu ändern?
Gal: Ich denke, man versucht schon, etwas zu tun. Aber das geht sehr langsam voran und ist sehr mühsam. Eigentlich gibt es sehr wenige Ansätze bei den Turnieren, wobei man zum Teil auch Probleme bei der Umsetzung hat. Das Thema Wasserflaschen zum Beispiel haben wir als Spielerinnen auch untereinander diskutiert. Es gibt ganz wenige Damen, die ihre eigene Flasche mit auf den Platz mitbringen, schon einfach deshalb, da wir in Amerika relativ viel Chlor im Wasser haben. Außerdem besteht auch die Gefahr beim Aufstellen von größeren Containern, dass Wasser verschmutzt werden kann. Viele Dinge sind da auch rechtlich gar nicht so einfach umzusetzen.
Sie fliegen berufsbedingt zehntausende Meilen im Jahr – inwieweit hat eine Berufsgolferin überhaupt die Möglichkeit, ihren Nachhaltigkeit-Ansatz zu leben?
Gal: Ja, das ist ein schwieriges Thema, auch für mich persönlich. Ich wäre da gerne viel mehr engagiert, habe aber auf der anderen Seite durch meinen Beruf das Gefühl, dass ich sowieso als Vielflieger abgestempelt werde. Andererseits denke ich mir aber, dass jeder versuchen kann, das zu machen, was in seinen Möglichkeiten liegt. Für mich persönlich sind der Verzicht auf Tierprodukte sowie das Reduzieren vom Plastikverbrauch sehr wichtige Themen für den Umweltschutz.
Die British Open der Herren im vergangenen Jahr war plastikflaschenfrei – kennen Sie im Damenprofibereich ein vergleichbares Projekt, oder bleibt das Thema Plastik im Profisport ein gleichbleibend hohes Problem.
Gal: Nein, ich kenne leider nichts. Plastik bleibt ein Riesenthema, weil gerade auf der US Tour auch noch sehr viel Plastikgeschirr verwendet wird.
Als Deutsche in den USA auf einer Tour, die viele Asiatinnen aufnimmt, haben Sie einen sehr internationalen Blick auf die Szene: Ändert sich die Haltung gegenüber dem Thema Natur und Umweltschutz im Profisport regional, ist es ein gleichbleibend starkes Thema oder ist es einfach nur individuell ausgeprägt?
Gal: Mein Gefühl ist, dass die Europäerinnen darauf am meisten achten. Außerdem gibt es schon in den USA bestimmte Gruppen, die sehr engagiert sind, an der West Coast ist das ein deutlich größeres Thema. Es gibt ja auch sehr viele kleine Firmen, die sich mit dem Thema „wastefree“ beschäftigen. Durch meine Erfahrung von den vielen Reisen würde ich generell sagen, dass Asien sehr hinterher hängt und Europa sich am stärksten engagiert.
Hat sich Ihr Zugang zum Thema Natur und Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren verändert?
Gal: Bei mir hat sich da ganz viel verändert: Als ich angefangen habe mich mit Veganismus zu beschäftigen, hat da für mich vor fünf, sechs Jahren eine lange Reise begonnen. Es begann zunächst als ein rein ethischer Entschluss und hat sich dann in eine größere Beschäftigung mit Umweltfragen entwickelt.
Sandra Gal bei einer ihrer Charity Veranstaltungen
Golf ist ein Sport, der extrem von der Natur bestimmt wird – haben Sie im Laufe der Jahre einen anderen Zugang zu der Thematik „Sport in der Natur“ gefunden, oder nimmt man als Profisportler den Faktor Natur nur als Kulisse wahr?
Gal: Nein, ich nehme die Natur immer ganz, ganz stark wahr. Diese Schönheit eines Platzes wahrzunehmen, war für mich schon immer ganz wichtig. Einfach auch, um zwischen den Schlägen abschalten zu können. Ich spiele auch besser an Orten, die mir gut gefallen und eine bestimmte Ausstrahlung haben, was die Natur angeht.
Sie sind schon lange stark in den Bereichen Yoga und Meditation aktiv – kann Golf als Sport in der Natur zumindest ansatzweise ähnliche Entspannung leisten?
Gal: Meditation heißt ja eigentlich nur, dass man im Hier und Jetzt ist. Dass man “da“ ist ohne zu werten. Das ist für mich auch eine lebenslange Aufgabe geworden, unabhängig davon, was ich mache. Im Turnier ist es allerdings immer noch eine besondere Herausforderung, wobei man selbst die meditative Qualität erkennt, wenn man in den „Flow“ kommt.
In einer Situation wie einem Lockdown, in der Sie selbst nichts entscheiden und beeinflussen können, hilft da Meditation weiter?
Gal: Ja, ich versuche das gerade zu vertiefen, weil man die Dinge im Moment nicht kontrollieren kann. Das ist sehr ähnlich zu dem, was im Golf in einer Mikroform passiert – man kann jeden Schlag planen und visualisieren, aber man weiß trotzdem nicht, was passiert.
Gender Equality und die Förderung von Frauensport ist ein großes Thema der Nachhaltigkeits-Debatte, auch im Golfsport. Sie haben aktiv im Rahmen des Programms „Walk with Sandra“ in den USA mit vielen Mädchen aus dem Nachwuchsbereich im Golf zusammengearbeitet?
Gal: Das Programm „Walk with Sandra“ ist aus einem Programm in Amerika entstanden, wo es um die Förderung von Girls Golf ging. Der Anteil der kleinen Mädchen am Golf wächst in Amerika geradezu exponentiell. Generell fände ich es im Profigolf schön, wenn wir mehr Turniere hätten, wo wir zusammen mit den Männern spielen könnten. Im Tennis ist man da ja schon ein Stück weiter. Dort bekommen die Damen die gleichen Preisgelder wie die Herren, seitdem man die Grand Slams zusammengelegt hat. Da kann sich bei uns noch einiges tun und wir arbeiten daran.
In der Golfplatz-Architektur wird zunehmend über „genderfree“ Tees gesprochen – kann sich die Golfszene daran gewöhnen?
Gal:. In den USA gibt es, wie überall, Farbunterscheidung bei den Abschlägen. Mittlerweile passiert es oft, dass zum Beispiel ältere Männer nach vorne gehen und gemischt mit den Damen gespielt wird. Das finde ich eigentlich sehr gut.
Golf ist ein extremer Solisten-Sport: Stellt sich nach all‘ den Jahren auf der Tour irgendwann die Frage, was man als Profi zum Beispiel mit einer Stiftung nachhaltig bewirken kann?
Gal: Ja, auf jeden Fall. Ich habe mich eigentlich sehr schnell gefragt, warum ich das alles mache. Vorne mitspielen ist schön und gut, was ist aber der tiefere Sinn? Kann man damit, neben der Unterhaltung des Publikums, der Arbeit mit den Sponsoren und dem Verdienen meines Lebensunterhaltes noch mehr tun? So ist dann meine Foundation entstanden. Außerdem kann man natürlich auch über die sozialen Medien sehr viel bewirken.
Die Sandra Gal Foundation widmet sich Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahre – warum diese Zielgruppe?
Gal: Ich finde, dass ich als Kind sehr privilegiert war, in dem, was ich alles machen konnte. Ich hatte Zugang zu vielen unterschiedlichen Hobbys und konnte viel ausprobieren. Es gibt aber ganz viele Kinder, die gar nicht die Möglichkeit haben, zu testen, was ihnen Spaß macht und wo ihr Talent liegt. Ich finde es echt schön, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, wenigstens einigen Kindern diese Möglichkeit zu geben.
Interview: Petra Himmel; Fotos: Tobias Kegler