Rough: Weg von Grasdominanz – hin zu mehr Diversität
Prof. Dr. Tim Diekötter ist seit 2014 Professor für Landschaftsökologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Universität Kiel ist eine der vier Universitäten, die am Projekt GolfBiodivers des Deutschen Golf Verbandes beteiligt ist. Diekötter selbst hatte vor diesem Projekt kaum Berührung zum Golfsport.
Die Universität Kiel hatte im Rahmen von GolfBiodivers zuerst mit den Golfanlagen Gut Wulfsmühle, Hoisdorf, Kitzeberg und Marine GC Sylt zu tun. Was war Ihr erster Eindruck, als Sie auf die Golfplätze gekommen sind?
Diekötter: Mein Eindruck war tatsächlich, dass die Golfplätze, die häufig in einer landwirtschaftlich geprägten Umgebung liegen, positiv hervorstechen, was die strukturelle Ausstattung der Landschaft angeht – gleichzeitig aber auch, dass dies eine große Fläche ist und es natürlich noch Potenzial nach oben gibt, wenn es um die Ressourcenvielfalt geht. Das ist ja auch das Ziel des Projektes.
Welchen Begriff würden Sie aus landschaftsökologischer Sicht zuerst mit einem Golfplatz verbinden?
Diekötter: Großflächigkeit. Dabei ist nur der eine Teil tatsächlich im Spielbetrieb und der andere Teil, der ja größer ist, birgt das Potenzial für mehr Artenvielfalt.
Golfplätze weltweit umfassen viele Lebensräume von Wüstenflächen bis Feuchtflächen. Sehen Sie in Deutschland das größte Potential bei artenreichen Wiesen?
Diekötter: Ich glaube schon, dass da das größte Potenzial liegt, weil sie häufig tatsächlich in der Kulturlandschaft eingebettet sind.
Es gibt auch Golfplätze in Deutschland, die zum Teil ausgetrocknete Moore auf dem Gelände haben? Kann man solche Moore zurückentwickeln?
Diekötter: Auf manchen Golfplätzen gibt es noch größere Gehölzbestände, da könnte man sich vielleicht kleinere Verlandungsmoore vorstellen. Ansonsten ist die Wiederbelebung von Mooren aufgrund der Hydrologie relativ schwierig, weil man sie großflächig wieder vernässen muss. Dann müssten also auch größere Bereiche in der Umgebung der ausgetrockneten Moore vernässt werden und wären dann nicht mehr bespielbar.
In Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen finden sich auch einige Plätze mit Heideflächen – beschäftigen Sie sich im Rahmen von GolfBiodivers auch mit deren Weiterentwicklung?
Diekötter: Heide ist ein sehr hochwertiger Lebensraum. Der Platz in St. Dionys ist zum Beispiel ganz stark von Heide dominiert, auch im GC Kitzeberg haben wir kleine Heideflächen. Bei GolfBiodivers versuchen wir aber, auf allen Plätzen relativ ähnliche Maßnahmen durchzuführen, um Vergleichbarkeit zu erreichen und die Maßnahmen danach zu bewerten. Natürlich nehmen wir kleine Anpassungen vor, weil es Standortunterschiede gibt. Aber schlussendlich wollen wir nicht jeden Vegetationstyp extra behandeln. Es macht aber keinen Sinn, mit unseren Maßnahmen für eine artenreiche Flachland-Mähwiese in einen Heidebereich zu gehen. Wir werden uns daher also doch Gedanken darüber machen, wie man Heideflächen fördern oder zur Erhöhung der Ressourcenvielfalt in den benachbarten Flächen sinnvoll ergänzen kann.
Angenommen eine Golfanlage möchte Flächen in artenreiche Wiesen umwandeln, ab welcher Größe macht es überhaupt Sinn?
Diekötter: Ich würde da keine Beschränkung sehen. Die Frage ist immer, was man erreichen möchte und für welche Arten. Bei GolfBiodivers stehen Insekten im Vordergrund und da sind auch kleine Parzellen schon hilfreich, weil sie wie ein Mosaik oder wie Trittsteine auf dem Platz die Fortbewegung dieser Arten ermöglichen. Wir haben teilweise relativ große Flächen zur Aufwertung zwischen den Spielbahnen, die wir natürlich gerne nutzen, aber die kleineren Flächen sind Verbindungselemente, auf die man nicht verzichten sollte. Generell kommt es immer auf die Arten an, die man im Fokus hat. An dieser Stelle müssen wir auch die Pflanzenarten selbst im Blick behalten. Die Vielfalt der Pflanzen bringt ja am Ende die Vielfalt der Tiere.
Wenn wir auf die grünen Flächen blicken, die nun aufgewertet werden sollen – was ist eigentlich schlecht daran.
Diekötter: Wichtig ist es, die Diversität der Blühpflanzen zu erhöhen. Im Moment ist fast alles grasdominiert. Die Standorte sind häufig zu nährstoffreich, dann dominieren die Gräser und verdrängen die kleineren krautartigen Blütenpflanzen. Die wollen wir jetzt fördern. Aber selbst wenn man jetzt eine magere Fläche schafft, kommen die Zielarten häufig nicht von alleine in die Fläche, da sie inzwischen in der Landschaft so selten geworden sind, dass sie in absehbarer Zeit nicht von alleine einwandern. Deshalb muss man diese Arten gezielt ansäen.
Haben Sie auf einem der Golfplätze schon eine Art gefunden, die Sie nicht erwartet hatten?
Diekötter: Große Überraschungen haben wir noch nicht erlebt. Wobei man sagen muss, dass zum Beispiel der Golfplatz auf Sylt, schon eine sehr hohe pflanzliche Diversität aufweist.
Gibt es ein Tier, über das Sie sich besonders freuen würden, wenn Sie darauf treffen?
Diekötter: Auf den küstennahen Plätzen würde ich mich sehr über die Mooshummel freuen, weil das die Art ist, mit der ich in meiner Diplomarbeit im Amöneburger Becken, einer hessischen Agrarlandschaft, gearbeitet habe. Ansonsten würde ich mich auch sehr über den Goldenen Scheckenfalter freuen. Aber es ist relativ unwahrscheinlich, dass wir auf ihn stoßen, da er in Schleswig-Holstein ausgestorben war und erst seit einigen Jahren in einem großen Projekt von der Stiftung Naturschutz wieder angesiedelt wird.
Grundsätzlich sind Golfplätze ja zuerst einmal Sportflächen. Besteht aus Ihrer Sicht hier ein grundlegender Konflikt mit den Zielsetzungen des Naturschutzes?
Diekötter: Auf den Golfanlagen, auf denen wir momentan arbeiten, gibt es eine sehr positive Grundhaltung gegenüber den naturschutzfachlichen Maßnahmen, die wir implementieren wollen und der Biodiversitätsfrage an sich. Wir stimmen uns für unsere Maßnahmenumsetzung eng mit den Greenkeepern ab; sie sagen uns, wo diese den Spielbetrieb stören würden oder wo ständig jemand in die neuen Wiesen laufen würde, was bei einer Flachland-Mähwiese übrigens gar nicht mal das Problem wäre.
Versteht der Golfer Ihren Ansatz?
Diekötter: Ein Ziel dieses Projektes ist es auch, mehr Verständnis für das Thema Biodiversität zu erreichen. Wenn wir das richtig kommunizieren, können wir vielleicht noch den einen oder anderen Spieler davon überzeugen, dass es ok ist, wenn Kräuter in der Fläche sind. Das ist dann vielleicht zwar etwas herausfordernder für das Spiel, aber es erhöht die Artenvielfalt.
Wie fällt denn die Reaktion der Golfer auf die Wissenschaftler bei der Arbeit auf dem Golfplatz aus?
Diekötter: Insgesamt sehr positiv. Sie kommen häufig und fragen, was war machen. Wir bekommen meistens interessierte Rückfragen.