Studie zu Pestizidrisiko legt Daten-Dilemma offen
Es ist ein Konflikt. Er dreht sich um ein Thema: Die Datenerhebung auf Golfplätzen weltweit. Auf der einen Seite sehen sich Golfanlagen, vor allem bei den Themen Wasserverbrauch sowie Pestizidanwendung, zunehmend unter öffentlichem Druck. Angesichts nachlassender Ressourcen beim Thema Wasser und zunehmender Gesundheitsbedenken sowie Biodiversitätsproblemen bei der Anwendung von Pestiziden auf Grünflächen muss die Golfszene immer häufiger belegen, dass ihre Verbräuche unbedenklich sind. Die Sache ist nur: Belastbare Daten sind (fast nirgendwo) weltweit bei Golfverbänden vorhanden. Besitzer der Daten sind die Golfanlagen – und die veröffentlichen die Daten oftmals nur höchst ungern.
Studie mit US und europäischen Partnern
Belegen lässt sich diese Problematik anhand einer wissenschaftlichen Studie, die unter dem Titel Analyzing golf course pesticide risk across the US and Europe—The importance of regulatory environment 2023 im Wissenschaftsmagazin Science of the Total Environment veröffentlicht wurde, bis dato aber kaum bis in die Golf-Öffentlichkeit vordrang. An der Studie waren neun amerikanische und europäische Universitäten, Wissenschaftsverbünde und Golfverbände beteiligt. Mit Hilfe einer Umfrage unter Superintendents in den USA und Europa sollte ermittelt werden, wie hoch das sogenannte Pestizidrisiko in den jeweiligen Ländern ist.
Wer die Studie genauer liest, stellt fest, dass am Ende zwar Zahlen stehen, die Auskunft über das Pestizidrisiko in den einzelnen Ländern geben, dass vor allem aber auch die Frage im Raum steht, wie der Golfsport in Zukunft überhaupt an Daten gelangen soll. Durch regulatorische Verpflichtung oder durch freiwillige Abgabe. Dabei macht die Studie eines klar: Auf die freiwillige Herausgabe durch die Golfanlagen kann man sich offenbar nicht verlassen, selbst dann nicht, wenn die Daten anonymisiert werden.
Antwortquote in den USA unter 50%
„Diese Studie wurde in erster Linie durch die zögerliche Bereitschaft der in den USA ansässigen Superintendents eingeschränkt, ihre Pestiziddaten weiterzugeben“, stellen die Autoren der Studie rund um Michael A. Bekken fest. Hätten alle Superintendents, die an der Umfrage zur Ressourceneffizienz teilgenommen haben, der Weitergabe von anonymen Pestiziddaten zugestimmt, hätte sich die Stichprobengröße in dieser Studie mehr als verdoppelt“. Von den kontaktierten Golfplätzen in den USA teilten nur 47 Prozent ihre Pestiziddaten mit, während in Europa 83 Prozent bereit waren, Daten zu kommunizieren.
Woher kommt diese Zurückhaltung? Die Wissenschaftler geben darauf keine gesicherte Antwort, stellen aber fest: „Es ist unklar, warum die Verantwortlichen in den USA zögern, anonym gemeldete Pestiziddaten weiterzugeben, aber möglicherweise hängt dies mit der Sorge zusammen, dass die Veröffentlichung der Daten dem Ruf des Golfplatzes innerhalb seiner Umgebung schaden könnte. Ein noch größeres Problem für die Golfplatzbetreiber könnte darin bestehen, dass eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Einsatz von Pestiziden auf Golfplätzen zu einer Regulierung führen könnte, die das breite Spektrum der Pestizide, die derzeit auf Golfplätzen in den USA eingesetzt werden, einschränken könnte.“
Deutlich höheres Pestizidrisiko in den USA
Auch das nämlich macht die Studie klar: Basierend auf den verfügbaren Daten ist das Pestizidrisiko in den USA um ein Vielfaches höher als in Europa. Wobei auch in Europa erhebliche Unterschiede zwischen EU-Ländern und Großbritannien bestehen. In Europa war das Pestizidrisiko am niedrigsten, insbesondere in Norwegen und Dänemark, wo strenge staatliche Regulierungen das Pestizidangebot stark einschränken. Während den Greenkeepern etwa in Dänemark und Norwegen zum Zeitpunkt der Durchführung der insgesamt dreijährigen Studie weniger als 20 Wirkstoffe zur Verfügung standen, waren es in den USA über 200.
Was bedeutet das deutlich höhere Pestizidrisiko für den Golfer? Wer in wissenschaftlichen Suchmaschinen nach entsprechenden Publikationen sucht, wird enttäuscht. Neuere Untersuchungen gibt es nicht. Grundsätzlich gilt: Alle auf Golfplätzen zugelassenen Mittel werden von den nationalen Zulassungsbehörden vorab auf Gesundheitsrisiken überprüft und sind den Behörden zufolge unbedenklich. So stellt etwa die GCSAA als Verband der amerikanischen Greenkeeper fest: „Mitglieder werden nicht nur ermutigt, sondern sind gesetzlich verpflichtet, die Produktkennzeichnungen stets zu beachten. Sie verlassen sich auch auf die Empfehlungen der einschlägigen Wissenschaftler, auf staatliche und bundesstaatliche Vorschriften und auf bewährte Managementpraktiken.“ Von einer Gesundheitsgefährdung des Golfers ist also nicht auszugehen.
Pestizideinsatz und Biodiversität
Anders sieht es beim Thema Artenvielfalt auf, das für Golfanlagen mit ihren enormen Flächen bekanntlich eine große und sehr positive Rolle spielt. Zahlreiche Studien, vor allem aus der Landwirtschaft weisen auf den negativen Einfluss von Pestizidverwendung zum Beispiel auf Bestäuber hin. Aber auch im Golfsport wird eine Verbindung gezogen. So wird zum Beispiel in der Studie Can a golf course support biodiversity and ecosystem services. A landscape context matter aus dem Jahr 2019 hinterfragt, inwieweit die positiven Auswirkungen einer Golfanlage auf die Förderung der Artenvielfalt durch die negativen Folgen von Pestizideinsatz auf die Wasserqualität oder die Lebensräume der Tiere konterkariert werden. Angesichts des extrem geringen Einsatzes der Mittel in Europa stellt sich die Frage wohl kaum, angesichts der hohen Werte in den USA aber durchaus.
Was also ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass freiwillige Datenabgabe offenbar ein schwieriges Thema ist. Eine Reaktion aus der Golfbranche auf die Veröffentlichung der Studie habe es eigentlich nicht gegeben, lässt Michael Bakken wissen. Er war während der Studie an der University of Wisconsin-Madison beschäftigt war, arbeitet inzwischen aber für das norwegische Institut NIBIO arbeitet. Beide waren an der Studie beteiligt und sind wissenschaftlich anerkannt.
Verpflichtung oder Freiwilligkeit?
Wie aber kann die Golfindustrie auf das zunehmende Verlangen nach Daten aus der Öffentlichkeit und der Wissenschaft reagieren? Können Golfverbände Golfanlagen zur Herausgabe von Wasser- oder Pestizidverbrauchsdaten verpflichten? Grundsätzlich erst einmal nein. Allein gesetzgebende Behörden, also etwa die EU, die U.S. Environmental Protection Agency (EPA) in den USA oder nationale und regionale Verwaltungen sind dazu in der Lage. Auch deshalb ist etwa im dänischen Golfsport im europaweiten Vergleich die Datenlage exzellent. Hier ist die Erlaubnis der Regierung, im Golfsport – wenn auch in extrem geringem Maße – Pestizide zu verwenden, an das Reporting von Daten gebunden.
Deshalb verweist die United States Golf Association, die mit ihrer Green Section viel Schulungs- und Informationsarbeit im Bereich des Greenkeepings leistet und gleichzeitig neben dem R&A der mächtigste Golfverband der Welt ist, darauf, dass diese Macht bei der Auslieferung von Daten endet: „Die USGA ist keine Regulierungsbehörde, sondern eine Non-Profit Ausbildungsorganisation“, stellt Janeen Driscoll, Director of Brand Communications, fest. Man unterstütze Best Practice Beispiele und bemühe sich, diese möglichst breit zu verteilen. Gleiches gilt für die Golf Course Superintendent Association of America. Auf Nachfrage liefert diese allerdings auch keine Erklärung dafür, warum die Bereitwilligkeit zur freiwilligen Herausgabe anonymer Daten so gering ist.
Eine Frage der Transparenz
Bleibt damit die Verordnung von Behördenseite als letztes Mittel, um an Daten zu gelangen? Oder ist die Verhandlungsposition der Golfszene beim Austarieren von Wasser-, Dünger-, oder Pestizidgrenzen nicht viel einfacher, wenn man bereits über einen vorhandenen Satz anonymer aber aussagekräftiger Daten verfügt. Im Idealfall belegt dieser, dass der Verbrauch von Wasser, der Einsatz von chemischem Dünger oder Pestiziden auf Golfplätzen womöglich weit geringer ist, als von der Öffentlichkeit vermutet. Generell lässt sich mit einer Veröffentlichung von Daten immer ein eher positives Bild von Transparenz zeichnen.
Von dieser transparenten Herangehensweise müssen Europas und Amerikas Golfanlagen in den meisten Fällen noch überzeugt werden. Im Moment ist der Golfclub oder Golfanlagenbetreiber Herrscher über seine Daten. Er kann entscheiden, ob er sie publiziert oder nicht. Was er nicht beeinflussen kann, ist die öffentliche Reaktion darauf: Wer Daten nicht veröffentlicht, intransparent ist, setzt sich schnell der Vermutung aus, etwas Negatives zu verheimlichen.
Konfliktthema für die Golfverbände
Die Golfverbände also sind in der Zwickmühle: Machen sie sich unbeliebt bei Golfanlagen und Golfclubs, weil sie verstärkt die freiwillige Dateneingabe von diesen einfordern? Oder vermitteln sie gegenüber nationalen oder internationalen Behörden weiter das Bild einer intransparenten Branche. Das Daten-Dilemma zwingt die Golfverbände in eine Zwickmühle. Kann man in diesem Spiel gewinnen?