Welchen Mehrwert hat ein Golfclub für die Gesellschaft? Um diese Frage drehen sich alle Projekte im Bowring Park & Golf Course bei Liverpool, der 2025 als Nachhaltigstes Projekt im Vereinigten Königreich ausgezeichnet wurde.
„Wir sind ein Showroom“, bringt Helen Paton die Mission auf den Punkt. „Ein riesiges Best-Practice-Projekt.“ Dessen Ziel ist es, Golf im städtischen Umfeld einerseits wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten, andererseits aber auch zu einem wichtigen Anlaufpunkt für Nicht-Golfer zu machen, die im Umfeld des Golfplatzes für sich nach attraktiven Angeboten für ihre Freizeit suchen. Im Mittelpunkt steht der älteste städtische Golfplatz Englands, dessen Geschichte bis ins Jahr 1913 zurückreicht.
Angesiedelt in einer Gegend, die als zweitärmste im Vereinigten Königreich bekannt ist, führte die Golfanlage zuletzt ein kümmerliches Dasein, das finanziell jährlich zu mittleren sechsstelligen Verlusten der Kommune führte. „Nur wegen des Golfs kam niemand und die, die kamen, zahlten in den wenigsten Fällen ein Greenfee, weil es keine wirkliche Verwaltung gab“, beschreibt Helen Paton, verantwortlich für Fundraising und Partnerschaften, die Situation, bevor sich Oneday um das Management von Bowring Park & Golf Course bewarb. Oneday als Unternehmen ist auf Projekte spezialisiert, die den wirtschaftlichen und sozialen Output von öffentlichen Anlagen, Parks, Denkmälern oder ähnlichem erhöhen sollen. „Aber wir haben immer nur Konzepte geschrieben, Projekte entwickelt, Kosten gerechnet. Wir haben nach einem praktischen Projekt gesucht, um Strategien auch umsetzen zu können.“
GROW: Der Nachhaltigkeits-Campus
Jetzt ist Bowring Park & Golf Course das Musterbeispiel. Seit 2024 existiert das Projekt GROW: The Sustainability Campus. Nachhaltigkeit auf allen Ebenen ist das Kernelement. Das wird einerseits schnell optisch sichtbar, weil an jedem Abschlag des Golfplatzes eine Tafel auf jeweils ein Nachhaltigkeitsziel der United Nations hinweist. Daneben aber sind es unzählige, kleine, auf den ersten Blick nicht erkennbare Bausteine, die dazu geführt haben, dass die Anlage 2025 den Preis „Nachhaltigstes Projekt des Jahres“ bei den Britischen Golf Environment Awards erhielt.
Im Mittelpunkt steht der Coffeeshop Huyton Village Green, „wo die Menschen jetzt endlich einen Platz gefunden haben sich zu treffen und gemeinsam einen erschwinglichen Kaffee zu trinken“, beschreibt Paton die Rolle des neuen Gebäudes, das explizit kein Clubhaus ist, sondern eher ein Zentrum der Begegnung. Bevor es stand, packten die wenigen Golferinnen nach der Runde ihre Thermoskanne aus und besprachen eben auf dem Parkplatz noch ihr tägliches Leben.
In den Innenräumen finden Workshops statt, bei denen man lernt, wie man selbst Küchenkräuter und Gemüse pflanzt oder nachhaltiger und gesünder leben kann. Das Repair Cafe als jüngstes Projekt nützt die Kenntnisse zahlreicher Senioren aus Liverpool, die ihre Zeit nun in den Dienst der Allgemeinheit stellen. „Wir erklären, wie man Fahrräder repariert oder auch Griffe auf Golfschlägern selbst aufsetzt,“ resümiert Paton leidenschaftlich. Wer mit ihr spricht, erkennt, an Ideen mangelt es ihr nicht.
Net-Zero-Projekt mit Universitätsbeteiligung
Genauso wenig wie an der Fähigkeit, verschiedene Interessengruppen hinter einem Projekt zu versammeln, damit der Mehrwert für alle hoch ist. Beteiligt sind inzwischen auch die Liverpool John Moores University und England Golf, die den Bowring Park bei dem Versuch unterstützen, bis 2025 die erste Net-Zero-Golfanlage Englands zu werden. Der Wechsel zu Biodiesel im Greenkeeping gehört genauso zu den Vorhaben wie die Nutzung von Solarenergie oder der Aufbau eines Kompostprogramms für die Bevölkerung.
Bowring Park & Golf Course ist keine Anlage, die finanziell aus dem Vollen schöpft. „Wir können nicht schnell nur elekrische Mäher anschaffen“, gibt Paton zu bedenken. Ein Teil der Finanzierung der gesamten Anlage erfolgt durch den Heritage Fund des Vereinigten Königreichs, der unter anderem auch historische Parks und Gebäude fördert. Das Erfolgsprinzip basiert aber auf einer Mischung aus öffentlichen Geldern, Fördermitteln, ehrenamtlichen Stunden und Einnahmen.
Gerade wenn es um die wirtschaftliche Nachhaltigkeit geht, spielt auch die geografische Position der Golfanlage eine Rolle. Bowring Park & Golf Course liegt in Knowley, einem eher industriellen Bereich rund um Liverpool. Logistikzentren und große Bürokomplexe finden sich hier. „Es gibt aber eben auch weltbekannte Unternehmen, die aufgrund ihrer Firmenphilosophie dazu verpflichtet sind, sich für das Thema Nachhaltigkeit generell zu engagieren.“ Hier kann Bowring Park & Golf Course einerseits als Lehrstück dienen, andererseits als Ort für Veranstaltungen, gleichzeitig aber auch als Projektpartner.
Seit dem Start der Initiative „GROW: The Sustainability Campus“, ist das Netzwerk von Projektbeteiligten gewachsen. Aus Ideen sind reale Dinge zum Anfassen und Benützen auf der Anlage geworden. 10.000 Personen haben 2024 den Weg nach Bowring Park gefunden, viele von ihnen waren keine Golfer. Über Projekte wie Get into Golf oder Disc Golf haben viele von ihnen den Golfsport kennengelernt, einige selbst angefangen Golf zu spielen. Golf als Sportart hat an Akzeptanz gewonnen. „Wir wollten nur Teil der Normalität werden“, beschreibt Helen Paton ein weiteres Ziel. Das ist Bowring Park & Golf Course offensichtlich gelungen. Und: Es hat das normale Leben sehr vieler Menschen aus der Region positiv beeinflusst.