Aus Nische wird Mainstream. Das ist die Botschaft, wenn es um das Thema Sponsoring im Frauensport geht. Ein lange vernachlässigter Markt entwickelt sich zu einem wirtschaftlichen Kraftzentrum, in dem sich internationale Unternehmen bewegen. Laut dem Nielsen 2022 Global Sports Marketing Report nahm das Sponsorship-Investment in Frauensport 2022 gegenüber 2020 um 27 Prozent zu. VISA schloss 2018 mit der UEFA einen 28-Millionen-Dollar Vertrag bis 2025 ab. Barclays investiert in die Women’s Super League in England angeblich zehn Millionen Pfund jährlich, und im Damengolf ist Amundi Asset Management, einer der führenden Vermögensverwalter weltweit, zu einem der wichtigsten Sponsoren im internationalen Frauengolfsport geworden.
Aufbruchsstimmung hält an
Warum gerade Frauengolf? Auf den ersten Blick liegt die Antwort klar auf der Hand: Wo Herrengolf seit Jahrzehnten das öffentliche Bild dominiert, befindet sich Frauengolf in einer Phase des Aufbruchs. Während Top-Spielerinnen in den asiatischen Ländern seit der ersten Erfolgsphase von Se-Ri-Pak Ende der 90er Jahre Starstatus genossen, nimmt der Medienwirbel um Spitzenspielerinnen in den USA wieder vermehrt Fahrt auf. Eine Rekordjagd, wie die Weltranglistenerste Nelly Korda sie zu Beginn der Saison 2024 mit fünf LPGA-Siegen in Folge hinlegte, befeuert den Hype. Das auf der amerikanischen LPGA-Tour ausgeschüttete Preisgeld hat seit 2021 um 69 Prozent auf rund 118 Millionen Dollar zugenommen. Die Themen, die sich mit Damengolf transportieren lassen, liegen auf der Hand.
Der Leaders in Sport Report 2021 von YouGov’s in England ergab, dass 75 Prozent der Europäer noch glauben, dass bei Berichterstattung und Sponsoring zwischen Männer- und Frauensport Ungleichheit besteht. 21 Prozent aller Erwachsenen gaben aber auch an, zunehmend mehr auch Frauensport zu verfolgen.
Chancengleichheit und Diversität
Gleiche Chancen für Frauen und Diversität, das sind die Themen, mit denen Damensport Sponsoren überzeugt. Natacha Andermahr, Head of Communication bei Amundi, spricht von einer „langjährigen Verpflichtung“, wenn sie erklärt, warum Europas größter Finanzdienstleister Amundi seit 2021 im Damengolf aktiv ist. Das Programm bei Amundi ist vielschichtig und pyramidenförmig aufgebaut. Ganz an der Spitze sitzt Kontinental-Europas einziges Major-Turnier, die Amundi Evian Championship. Es folgen die Sponsoring-Aktivitäten bei dem Amundi German Masters, der KPMG Irish Open und der Amundi Czech Ladies Challenge. Abgerundet wird das Engagement durch Talentteams aus Europa, den USA und Asien sowie ein Juniorenprogramm.
Damengolf, so lernen Sponsoren, die ins Damengolf einsteigen, ist auf der einen Seite ein dankbares, auf der anderen Seite aber auch ein schwieriges Geschäft. Zumindest in Europa führt die derzeit noch vorhandene schlechtere Bezahlung der Frauen dazu, dass diese offener für Interviewanfragen, Medien- und Kundenarbeit sind. Das spricht die Fans an, die so auch leichter die ersehnten Autogramme und Fotos bekommen. Damengolf ist greifbar, „wir erleben die Damen als freundlich und kooperativ, wenn es um die Vermarktung des Turniers geht“, erklärt etwa Daniel Reitz, Chief Marketing Officer von Amundi Deutschland. Startgelder im Millionenbereich, wie sie auf der DP World Tour der Herren längst Standard sind, kennt man bei Europas Damen nicht.
Herausforderungen in Europa
So betrachtet ist Sponsoring beim Damengolf also eine wunderbare Sache: Beim Amundi German Masters im G&CC Seddiner See präsentiert sich die Golfwelt lilapink, die Fahnen flattern auf der Driving Range und vor allem deutsche Protagonistinnen wie die Berlinerinnen Alexandra Försterling und Chiara Noja sind neben der Ex-Solheim Cup Spielerin Sandra Gal stark gefragt. Es ist die dritte Auflage des Amundi German Masters, „wir wollen die Veranstaltung noch besser machen“, gibt Reitz als Devise aus.
Womit wir bei den Herausforderungen des Sponsorings im Damengolf wären: Ein Selbstläufer wie in Asien ist Damengolf in Europa noch nicht. Egal ob in Spanien, Frankreich oder England, die Zuschauerzahlen halten sich in Grenzen und Fernsehanstalten rufen nach Produktionskostenzuschüssen, wenn es um die Übertragung geht. Wer 2023 im englischen Centurion Club vorbeikam, um sich das Event der Aramco Team Series innerhalb der Ladies European Tour anzusehen, stieß auf gewaltige Zuschauertribünen, ein riesiges Pressezelt und eine durchaus üppige Public Area – aber nur eine sehr übersichtliche Zahl an Zuschauern und Journalisten. Beim LIV-Tour Event, das ebenfalls in Centurion vor gleicher Kulisse stattgefunden hatte, waren die Tribünen vollgepackt. Die Namen der männlichen Golfprofis sind in der Golfszene bekannter, und letztendlich spielen europaweit eben auch mehr Männer als Frauen Golf, was ebenfalls Einfluss auf die Zuschauerinteressen haben mag
Vorzeigemodell Amundi Evian Championship
Dass die Entwicklung von Damenturnieren ein langjähriger Prozess ist, der am Ende allerdings von Erfolg gekrönt sein kann, beweist die Amundi Evian Championship. Idyllisch an den Hängen der Schweizer Gemeinde Evian-les-Bains gelegen, haben sich die Turnierveranstalter ihren Erfolg erarbeitet. Noch 2015, als das Wunderkind Michelle Wie hier als Zuschauermagnet fungieren sollte, ließen sich die Fans an den Seitenlinien einzeln abzählen, die Personenansammlung auf der Clubhaus-Terrasse glich einem hochklassigen Familientreffen. Fernsehstationen weltweit übertrugen die Bilder von der Idylle da bereits und die Spielerinnen waren begeistert von der Atmosphäre des Events. Evian und Rolex investierten weiter in das Turnier.
Fast zehn Jahre später hat sich die Lage geändert: Wer 2023 die Amundi Evian Championship besuchte, stieß auf ein vollbesuchtes First-Class-Event mit gut belegten Tribünen, stark frequentierten VIP-Bereichen und der internationalen Weltelite an Spielerinnen. Das Beste daran: Das Gefühl, beim Damenprofigolf deutlich näher dran zu sein als bei den Herren, ist der Veranstaltung erhalten geblieben. Wer in einem der Lounge Sessel im VIP-Bereich direkt hinter Chipping- und Pitchinggrün sitzt, bekommt eine Gratislektion in perfekter Golftechnik, so nah sind die trainierenden Spielerinnen an den Zuschauern dran.
Hunderte von Bällen werden da immer mit schier endloser Ruhe an der Fahne platziert. Damengolf, so die Lehre nach ausgiebiger Betrachtung der Trainingseinheiten, hat ziemlich viel mit Ausdauer und Perfektion zu tun hat.
Wer beides mitbringt, ist auch im Sponsoring gut aufgehoben und offenbar Teil eines Zukunftstrends: Allein seit 2021 wurden 381 Sponsorenverträge im Damensport neu abgeschlossen. Tendenz steigend.