Vision 2050: Bradley Klein fordert Neuausrichtung des Golfsports
Bradley Klein, einer der bekanntesten amerikanischen Meinungsführer beim Thema Golfplatzdesign, kennt die Golfplätze dieser Welt wie kaum ein anderer. Der Buchautor, Mitarbeiter des Golf Channel und Berater zahlreicher bekannter amerikanischer Golfanlagen, beobachtet die Veränderung der klimatischen und damit auch wirtschaftlichen Gegebenheiten vor allem in den USA kritisch. In unserer Serie Vision 2050 macht er klar: Die Betreiber und Verantwortlichen von Golfplätzen, die Verantwortlichen der Profitouren und die Spieler müssen ihre Arbeitsweisen ändern.
Bradley, während wir hier sprechen, leidet Arizona unter einer extremen Hitzewelle und Florida hat gerade enorme Regenfälle mit Überflutungen hinter sich. Wie beurteilen Sie die Situation der amerikanischen Golfszene mit Blick auf den Klimwandel?
Klein: Was den Klimawandel angeht, so gibt es mindestens drei Arten von Wetterextremen, die die Golfindustrie betreffen. Das erste, das wir vor etwa 10, 15 Jahren feststellten, war eine größere Häufigkeit extremer Regenereignisse. In Florida, um ein extremes Beispiel zu nennen, fielen zuletzt 16,5 Zentimeter Regen an einem Tag. Das ist eine ganze Menge. Das ist verrückt.
Und dazwischen gibt es immer wieder extreme Dürreperioden. Wir sehen, dass viele Golfplätze auf modernere Bewässerungssysteme umgerüstet werden, damit sie eine gleichmäßige Wasserversorgung haben, um die Trockenphasen zu überstehen. Gleichzeitig müssen sie in der Lage sein, die Abflüsse dieser massiven Regenereignisse aufzunehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele der Golfplätze, die in ehemaligen Stadt- oder Vorstadtgebieten gebaut wurden, heute von befestigten Flächen aus Beton und Pflaster umgeben sind, sodass das Wasser nicht abfließen kann. Der Golfplatz wird im Wesentlichen zu einem Entwässerungsbecken für die Stadt.
Extreme Hitze ist ein Problem, weil sie den Bedarf an ständiger Bewässerung und höherem Wasserverbrauch erhöht. Außerdem stellt sie eine extreme Gesundheitsgefährdung für die im Freien arbeitenden Menschen dar.Und dies ist ein Bereich der Industrie, der bisher nicht wirklich berücksichtigt wurde. Es gibt inzwischen Staaten wie Texas, in denen man nicht einmal verpflichtet ist, den Arbeitern im Freien Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Dieses Recht der Arbeiter wurdeaufgehoben, was verrückt ist.
Das dritte Problem, das wir beobachten, ist der Anstieg des Küstenwassers, was vielleicht kein großes Problem zu sein scheint, wenn es nur ein oder zwei Zentimeter alle paar Jahre sind. Aber wenn man niedrig gelegene Golfplätze wie Seminole in Florida hat, muss man sich jetzt darauf vorbereiten, den Deich an der Außenseite zu erhöhen und die Fairways über den Grundwasserspiegel anzuheben. Außerdem gibt es Küstenerosion entlang der gesamten Ostküste, z. B. in der Gegend von Cape Cod, auf den Carolinas und rund um den gesamten Rand von Florida.
Haben Sie das Gefühl, dass die Golfbranche erkannt hat, wie groß das Problem ist?
Bradley Klein: Ich würde sagen, dass die Golfindustrie dies nur sehr langsam erkennt.
Sie muss aufholen. Die Kurzversion ist, dass die Greenkeeper die physikalischen geologischen Veränderungen, mit denen sie konfrontiert sind, verstehen. Das Problem ist aber, dass Golfplatzmanager, Pros, General Manager und Eigentümer zögerlich sind. Erstens, weil alles teuer ist. Und zweitens, weil die Golfindustrie politisch gesehen sehr konservativ ist. Die meisten Superintendents sind Republikaner. Aber es gibt auch eine politische Abneigung gegenüber der gesamten Agenda der Nachhaltigkeit und langfristigen Überlebensfähigkeit.
Wie sehen Sie die Zukunft neuer Golfplätze in Gegenden wie Nevada oder Arizona, wo es kein Wasser gibt und die Hitze extrem ist?
Bradley Klein: Denver ist ein gutes Beispiel. Denver hat nicht genug Süßwasser, um weitere neue Golfplätze zuzulassen. Auch wenn es also nach COVID eine Nachfrage nach dem Spiel geben könnte, ist für den Bau von Anlagen ein Zugang zu Wasser erforderlich. Und recyceltes Wasser kann man nur bis zu einem gewissen Grad nutzen. Recyceltes Wasser hat im Wesentlichen einen hohen Mineralgehalt, der durch die Nutzung durch Haushalte und Unternehmen entsteht. Man kann das Wasser zwar recyceln, aber nicht für Grünflächen verwenden, da sich Mineralien und Salze ansammeln, die man ausspülen muss. Wenn Sie also kein trinkbares Süßwasser haben, werden Sie wirklich Probleme mit dem Gras bekommen. Sie müssen also zumindest teilweise, wenn nicht sogar vollständig, Zugang zu Süßwasser haben. Das ist immer schwieriger zu bekommen, und es ist teurer. Ich denke, ein Teil des Problems, das die Zurückhaltung vieler Anlagen bei der Anpassung noch verstärkt, ist die Annahme, dass wohlhabende Mitglieder, die in diese Zweitwohnsitzgebiete gezogen sind, einfach für das Wasser bezahlen werden.
Aber es gibt Golfplätze in Palm Springs, Kalifornien, oder in der Gegend von Las Vegas, die jedes Jahr eine Million Dollar für Wasser ausgeben. Das ist nicht tragbar. Es geht also nicht nur darum, dass der Preis steigt, sondern auch darum, dass die Verfügbarkeit abnimmt und die Golfanlagen sich anpassen müssen.
Dies alles betrifft vor allem einen bestimmten Bereich der Gesellschaft. 30 Prozent aller Clubs in Nordamerika sind privat. Viele Hausbesitzer – ich habe das zum Beispiel in Palm Springs erlebt – ziehen an einen Ort und wollen einen grünen Golfplatz. Sie wollen auch, dass er overseeded wird, was etwa 30 Prozent mehr Wasser absorbiert, als wenn man ihn nicht overseeded. Das ist in erster Linie aus ästhetischen Gründen so, damit der Platz grün ist. Gegen einenGolfplatz mit Grad in der Winterruhe ist eigentlich nichts einzuwenden. Er verträgt vielleicht Carts nicht gut, aber er lässt sich sehr gut spielen. Das Gras ist eben nur braun. Gott sei Dank wird das Gras in Pinehurst, wo gerade die US Open stattgefunden haben, nicht mehr overseeded.
Golfplätze wie Royal Dornoch oder der Old Course in St. Andrews sind immer noch erstklassig. Was können Golfplatzarchitekten von diesen historischen Plätzen für die Zukunft lernen?
Klein: Die Architekten sind nicht das Problem. Das eigentliche Problem sind die Medien. Und die Medien verstehen die Thematik nicht. Die PGA Tour versteht sie auch nicht. Die PGA Tour kümmert sich nicht um dieses Thema. Sie wollen ihren Spielern eine grüne, saftige Grasfläche präsentieren, und das ist es, was die Medien zeigen und was die Leute dann im Fernsehen sehen.
Lassen Sie uns über die Länge der Plätzesprechen. Je länger sie werden, desto mehr Ressourcen brauchen sie. Sollten die Plätze in Zukunft kürzer werden?
Klein: Auf dem Elite-Niveau, das ein völlig anderes Spiel ist als das, das wir alle spielen, sind die Plätze natürlich länger geworden, sodass sie 6800 bis 7000 Meter, vielleicht 7300 Meter lang sein müssen. Ältere Plätze wie der Old Course oder mein Lieblingsplatz Wannamoiset haben eine Fläche von 45 bis 50 Hektar. Merion hat 45 Hektar. Ein moderner Golfplatz muss eher 60 bis 65 Hektar groß sein, aber das bedeutet nicht, dass man das alles pflegen muss. Man kann problemlos einen Golfplatz mit 5700 Meter Länge bauen, auf dem man gut spielen kann. Man muss dann nur hinten noch Abschläge einfügen und das Areal zwischen den Abschlägen aus der Pflege nehmen.
Die Green Section der USGA hat hier mit ihrer neuen Deakon-App sehr gute Arbeit geleistet. Sie versetzt den Club in die Lage, die tatsächliche Fläche, auf der gespielt wird, zu messen. Dann stellt sich heraus, dass es viele Bereiche gibt, in denen man das nicht mähen muss. Dies kann bei den meisten Golfplätzen zu einer Verringerung des Pflegeaufwands führen.
Was die Längenproblematik angeht, so haben sowohl der R&A als auch die USGA vor kurzem angekündigt, dass es Beschränkungen für die Fluglänge des Golfballs geben wird. Dadurch wird die Fluglänge, die unter den derzeitigen Spielbedingungen möglich wäre, um etwa vier oder 5 Prozent verringert. Das wird eine kleine Hilfe sein. Aber das eigentliche Problem ist, dass die meisten Golfplätze eine realistischere Einschätzung des tatsächlichen Pflegeaufwands vornehmen müssen.
Muss die Kommunikation besser werden, um die Golfer besser zu informieren?
Klein: Mit Sicherheit.Ich glaube, die meisten Golfer werden so erzogen oder haben die Erwartung, dass die Golfplätze an jeder Ecke gepflegt sind. Der Golfball hat überall eine gute Lage. All‘ das ist für mich eine Art purer Luxus.
Wenn Sie in die Zukunft blicken, etwa in 20 Jahren, glauben Sie dann, dass das allgemeine Erscheinungsbild von Golfplätzen ein wenig ungepflegter sein wird?
Klein: Nun, wir wissen aus Daten und Umfragen, dass jüngere Menschen ein größeres Bewusstsein für Umweltthemen haben. Wenn sie 35, 40 Jahre alt sind, gehören sie hoffentlich zur Mittelschicht und treten einem Golfclub bei. Vielleicht, so hoffen wir, werden sie dieses Umweltverständnis dort mit hinnehmen. Ich vermute also, dass es einen Generationswechsel in den Erwartungen der Menschen an ihre Golfplätze geben wird, dass es kein makellos gepflegter Rasen mehr sein muss. Stattdessen wird es eine angemessene, aber unberechenbare Spielfläche sein. Und das wäre das Ideal.
Ich glaube, dass es einige Trends gibt, die darauf hindeuten. Die Tatsache, dass Orte wie Bandon Dunes so beliebt sind oder dass jeder, der nach Schottland reist, beeindruckt von dem zurückkommt, was er gesehen hat, obwohl es ganz anders aussieht als das, was er von einem Country Club gewohnt ist. Das sind sehr positive Trends.
Wir haben in den letzten Jahren eine Entkopplung von Profi- und Amateurgolf erlebt, was die Spielfähigkeiten und die Plätze betrifft, auf denen gespielt wird. Wie werden wir damit in Zukunft umgehen?
Klein: Als Donald Ross und Alistair McKenzie und A.W. Tillinghast Golfplätze entwarfen, schlug der Elitespieler den Ball 220, 240 und der Durchschnittsgolfer 170, 180.Die Statistik für die US Open in Pinehurst zeigt, dass der durchschnittliche Drive bei 307 lag. Das ist verrückt. Ich denke also, der Schlüssel dazu ist, dass Eigentümer und Betreiber entscheiden müssen, wer ihr tatsächlicher Kundenstamm ist. Und der Fokus für Golf, für die Spieler am vorderen Abschlag, muss ein spielbarer Golfplatz aus 5.000 Yards sein. Für die meisten Golfer sind aber 6.200 bis 6.300 Yards vollkommen ausreichend. Und wenn man dann noch die hinteren Abschläge hinzufügt, ist es nicht mehr so, wie in den 80er und 90er Jahren, dass die Golfplätze von den hinteren Abschlägen aus entworfen wurden und die vorderen mittleren Abschläge eher ein nachträglicher Einfall waren. Wenn Sie für 98 % Ihrer Kunden entwerfen und die anderen 2 % vergessen, haben Sie eine bessere Chance, einen spielbaren Golfplatz zu schaffen, der auf lange Sicht nachhaltig ist.
Wie sollten Investoren im Golfsport Ihrer Meinung nach einen Standort auswählen?
Klein: Es wäre besser, wenn sich der Golfsport auf Standorte verlagern würde, die entweder einen natürlichen Abfluss entlang der Küste haben, oder wenn es sich um Industriebrachen handelt, die umgewandelt werden. Wir haben viel zu viele leere Parkplätze und Einkaufszentren, die in Golfplätze umgewandelt werden könnten. Wenn man sich also bei der Entwicklung von Golfplätzen auf ehemalige, in öffentliches Eigentum umgewandelte Flächen konzentrieren und diese als Grünflächen nutzen würde, könnte man etwas erreichen. Die Zersiedelung der Vorstädte und das extreme Aufkommen von Autobahnen und Betonflächen, das so viele Landschaften zerstört hat, würde umgekehrt werden. Hier kann Golf eine brauchbare Alternative sein, denn es ist auch ein Geldbringer.
Derzeit erleben wir einen Boom von exklusiven Anlagen, die zum Beispiel in Florida gebaut werden. Brauchen wir für eine nachhaltige Zukunft des Golfsports mehr bezahlbare Plätze?
Klein: Florida ist ein Phänomen. Wir erleben, dass lächerlich hohe Summen investiert werden und Mitglieder bereit sind, zwei bis 300.000 Dollar auszugeben, um einem Club beizutreten. Es ist ihnen egal, wenn der Bau des Golfplatzes 30 Millionen Dollar kostet. Teil des Problems ist auch, dass die Kosten für den Bau von Golfplätzen nach der COVID-Initiative höher sind als früher. Generell sind aber 80 Prozent der Golfplätze erschwinglich.
Man muss sich also darauf konzentrieren, dass der Golfsport auf den bestehenden Anlagen für jeden bezahlbar bleibt. Dort spielen die Einsteiger, die Senioren, die Junioren und die Anfänger. Das wird sich hoffentlich fortsetzen, aber es ist ein bisschen schwierig.
Nehmen wir an, Sie könnten drei verbindliche Richtlinien für Golfplatzdesigner für die Zukunft entwickeln – welche wären das?
Klein: Die erste ist, Golplätze nur bis maximal 5800 Meter zu entwerfen. Die zweite ist, die stark gepflegten Bereiche zu minimieren und sich auf Abschläge, Fairways und Grüns zu konzentrieren. Die letzte ist, nicht mehr zu versuchen, das Par zu verteidigen, was den Golfplatz schwierig macht, sondern sich stattdessen auf Spaß, Freude und Erfolg für den Alltagsgolfer zu konzentrieren.