Artenvielfalt-Projekte für Einsteiger
Der Blick fällt auf ein Stück abgemähtes Rough – zwischen zwei Abschlägen. „Das Rough hier haben wir neu eingeführt. Um ehrlich zu sein war das Feedback deutlich besser als erwartet“, lautet der Erfahrungsbericht von Manfred Beer, Head-Greenkeeper im GC Isarwinkel. Die Ausweisung neuer Rough-Bereiche auf dem Golfplatz ist Teil der Strategie, die ganze Anlage auch unter ökologischen Gesichtspunkten erstklassig zu betreiben. Die Artenvielfalt in extensiv gepflegten Bereichen ist eben deutlich höher als in streng gemähtem Gras.
Der Vorsitzende des Bayerischen Greenkeeperverbandes ist einer von Jenen, die das Thema Ökologie auf dem Golfplatz seit langem verfolgen. „Die Spielflächen sind die Pflicht, alles andere ist die Kür“, resümiert er mit einem Lächeln. Er hat die Golfanlage zur Gold-Auszeichnung bei Golf & Natur gebracht, nimmt am Projekt Blühpakt Bayern bei und hält regen Kontakt zum Landesbund für Vogelschutz.
Einsteigertipps zum Thema Biodiversität
Was sind die wichtigsten Tipps für all‘ jene Golfanlagen, die einerseits etwas für die Aufwertung der Artenvielfalt auf dem Platz tun wollen, andererseits aber nicht über große finanzielle Möglichkeiten und womöglich auch noch nicht über allzu viel Wissen im Bereich Ökologie verfügen?
Für Beer beginnt die Reise im Kopf: Wissen kostet erst einmal nichts. „Der Greenkeeper muss zuerst einmal seine Flächen kennen.“ Das Bewusstsein darüber, wo humusreicher und wo sandiger oder kiesiger Boden ist, die Kenntnis des Sonneneinfalls und die genaue Bobachtung der Spielflüsse – das alles schafft zum Start ein vollwertiges Bild vom Golfplatz. Nur, wenn dieses vorhanden ist, können Projekte sinnvoll entwickelt werden.
Klassische Einsteigeraktionen sind für Beer in der Folge die Anlage eines Totholz- und eines Lesesteinhaufens. „Das lässt sich auch gut in der Kombination umsetzen, sodass man hier natürliche Übergänge schafft. Wichtig ist aber, dass der Platz sonnig ist.“ Mit einem umgefallenen Baum und einigen Lesesteinen ist der Materialaufwand übersichtlich.
Totholz kann man aber auch stehen lassen, lautet sein zweiter Tipp. Kostenaufwand: Null. Abgestorbene Bäume werden durch eine Vielzahl von Organismen genutzt. Spechte, Insektenlarven, Totholzpilze und Bakterien – sie alle sorgen dafür, dass Totholz in den biologischen Kreisläufen eingebunden bleibt. Mehr als 600 Großpilzarten sind am Abbau beteiligt und über 1.350 der 6.000 Käferarten Mitteleuropas leben vom Totholz. Viele Pflanzen und Tierarten sind in ihrer Lebensweise hochgradig auf bestimmte Zerfalls- und Zersetzungsphasen von Holz angewiesen. Zum Beispiel Pilze, Flechten, Moose und viele Insektenarten, wie etwa Ameisen und Schmetterlinge. Der überwiegende Teil von etwa 1.000 Wespen- und Bienenarten benötigt Alt- und Totholz.
Schnittgut fachgerecht entsorgen
Das zweite Thema, das dem Head-Greenkeeper am Herzen liegt, ist das Schnittgut. „Wenn ich das Schnittgut einfach in die Roughflächen werfe oder einmulche, entwickeln sich hauptsächlich Brennnesseln.“ An die Entwicklung hochwertiger Roughbereiche sei nicht zu denken. „In diesem Fall sammelt man das Schnittgut besser zentral mit einem Anhänger oder in Körben auf und entsorgt es einmal die Woche fachgerecht.“ Von da an haben deutlich mehr Moose, Kräuter und Blumen und Gräser die Chance, sich auf den Flächen zu entwickeln. Statt sofort Saatgut auszubringen, setzt Beer erst einmal auf die Beobachtung der Fläche. „Wer genau hinsieht, bekommt schnell ein Gefühl dafür, was sich auf einer Feuchtwiese oder in einem Trockenbereich entwickelt. Oft reicht es auch, dem Gelände erst einmal Zeit zu geben, sich selbst zu entwickeln.“ Ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert, aber keine Investitionen.
Mit Blick auf einen Heckensaum, der den GC Isarwinkel von einer Straße abtrennt, kommt Beer auf die nächste Stufe zu sprechen. Die Aufwertung von Heckensäumen durch Mehrstufigkeit. „Wir hatten hier eine ganze Reihe Buchen. Dann haben wir regionale Büsche davorgesetzt und als dritte Ebene noch einen Roughstreifen zur Abgrenzung an die Spielbahn entwickelt.“ Alles, was es dafür brauche, sei erst einmal ein Bagger, der den Boden aufraut. „Die Stecklinge für die Büsche sind wirklich preisgünstig zu bekommen.“ Entscheidend sei dabei aber, auf die Nahrungsversorgung für Insekten und Vögel zu achten. „Idealerweise habe ich eine Kette von Büschen und Bäumen, die vom Frühjahr bis zum Herbst Futter zur Verfügung stellen.“ Rhododendron habe in solchen Anordnungen übrigens nichts zu suchen.
Nein, ein Kostenfaktor, so Beers Fazit, sei die Integration von vielen Projekten für mehr Artenvielfalt auf dem Golfplatz nicht. „Im Vordergrund stehen Engagement und Wissen.“ Was gerade den zweiten Aspekt anbelangt, so verweist er auch auf die jeweils örtlichen Naturschutzverbände. „Als ich angefangen habe, mich für das Thema zu interessieren, habe ich beim Landesbund für Vogelschutz nachgefragt. Dort hat man mir extrem geholfen.“ Diese Informationsquelle, so seine Erfahrung, könne jede Golfanlage nutzen. Denn auch hier gilt: Kosten entstehen erst einmal nicht, nur Interesse muss man mitbringen.