So funktioniert Hornissen-Umsiedlung auf dem Golfplatz
„So, jetzt müssen die Hornissen nur noch in ihr neues zu Hause einziehen“, sagt Jan-Erik Ahlborn und steigt von der langen Aluleiter. In luftiger Höhe hat er soeben einen Brutkasten für Hornissen an einem abgestorbenen Baum auf dem Gelände des Golfclubs Memmingen Gut Westerhart, Mitglied des Bayerischen Golfverbandes, angebracht. „Die Zusammenarbeit mit den Betreibern einer Golfanlage ist für meine Frau Bettina und mich ein neues Feld“, sagt Jan-Erik Ahlborn. Der Wespenschützer wäre sehr erfreut, wenn andere Golfplätze dem Beispiel folgen würden. Der gelernte Schädlingsbekämpfer aus Mindelheim bezeichnet die Hornisse als größte bei uns lebende Wespenart liebevoll als „friedliche Holzhaus-Baumeister“, vor denen niemand Angst haben müsse. „Ein friedliches Zusammenleben zwischen Hornissen und Menschen ist möglich“, versichert der 46-Jährige.
Umsiedlung auf der Golfanlage
Das sahen Mitglieder und Gäste des Golfclubs im Jahre 2021 allerdings anders. In der Hütte, an der sich ein Ballautomat befindet, hatten sich Hornissen eingenistet und für Angst unter den Golfern gesorgt. „Um den Tieren künftig eine Ausweichmöglichkeit zu geben, haben wir in Zusammenarbeit mit Herrn Ahlborn beschlossen, zwei Brutkästen hoch oben in den Bäumen aufzuhängen und einen Beobachtungskasten für Hornissen aufzustellen“, erklärt Clubmanager Christian Montén. Der Schaukasten gibt Interessierten die Möglichkeit, Hornissen beim Bau und Betrieb ihres Nestes gefahrlos zu beobachten. Die Beobachtungsstation wird in der Nähe der Bienenkästen aufgestellt und kann über den öffentlichen Wanderweg in Richtung Abschlag 7 erreicht werden. Die neuen „Wohnungen“ für die Hornissen haben Bettina und Jan-Erik Ahlborn in der heimischen Garage zusammengezimmert.
Das Ehepaar liebt alles, was summt und brummt, besonders Hornissen. „Leider haben große Wespen keine Lobby bei uns. Bis in die 70er Jahre standen sie am Rand der Ausrottung “, sagt Ahlborn. Die Hysterie vor den Hornissen hat seiner Meinung nach viel mit Vorurteilen zu tun. Wer kennt nicht den Satz „Sieben Stiche töten ein Pferd, drei einen Menschen.“ Dieser alte Spruch geistert noch in vielen Köpfen herum, ist aber falsch, so Ahlborn. Hornissen sehen gefährlich aus, seien aber meistens harmlos. „Die großen Brummer ergreifen lieber die Flucht als sich mit dem Menschen anzulegen – es sei denn, dieser kommt dem Hornissennest zu nahe.“
Vom Schädlingsbekämpfer zum Hornissenberater
Ein ausgebildeter Schädlingsbekämpfer, der Wespen und Hornissen schützt, wie passt das zusammen? „Schwer verständlich, ich weiß“, sagt der 46-Jährige. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr musste er sich beruflich neu orientieren und sei auf diesen Beruf gestoßen. Eines Tages bekam er den Auftrag, ein kleines Feldwespenvolk auszuräuchern. „Die Tiere nahmen ihren Tod ohne Gegenwehr entgegen“, erzählt Ahlborn. Nach der Aktion sei bei ihm der Groschen gefallen. „Was machst du Trottel da?“, habe er sich gefragt. Weil ihm die Tiere so leidtaten, wurde Ahlborn „vom Saulus zum Paulus“.
Er kaufte sich Fachliteratur über Wespen, las sich ein, besuchte 2007 in der 540 Kilometer entfernten Hansestadt Wipperführth Kurse über Natur- und Wespenschutz. Mit Peter Tauchert von der „Aktion Wespenschutz“ fand er einen neuen Lehrmeister. „Bub, dich richt´ ich“, waren dessen Worte zur Begrüßung. Das ist Tauchert offensichtlich gelungen, denn Ahlborn hat seinen Job als ausgebildeter Schädlingsbekämpfer 2011 an den Nagel gehängt. Heute arbeitet er in Vollzeit als Hausmeister beim Landkreis Unterallgäu.
Die Freizeit von Bettina und Jan-Erik Ahlborn gehört nach wie vor den dicken Brummern: Das Ehepaar hat sich mit Leib und Seele dem Schutz von heimischen sozialen Wespenarten, von Wildbienen, der heimischen Hummeln und den Waldameisen verschrieben. Seit nunmehr 15 Jahren arbeiten sie nebenberuflich als Naturpädagogen. Sie sind Referenten für Wespenberater, zugelassene Umsetzer und Heger. 2017 wurde das Team mit dem deutschen und bayerischen Tierschutzpreis ausgezeichnet. „Wir sind schon ein bisschen verrückt in unserem Bestreben für den Wespenschutz“, versichern beide.
Wer Fragen zum Umgang mit Hornissen hat, kann sich unter ahlborn@hornissenberater.de, jederzeit an Jan-Erik Ahlborn wenden. Ansonsten gibt es in ganz Deutschland ehrenamtliche Wespenberater, die Auskunft geben. Auch Imkervereine und der Bürgerservice von Landratsämtern können mit kompetenten Ansprechpartnern weiterhelfen.
Text: Jürgen Rasemann