Real Live: Ich bin das Taxi meiner Kinder
Das hier ist Alicia, 48 Jahre alt, eine Golferin mit zwei Kindern. Das Thema Nachhaltigkeit interessiert sie, sie versucht es zu leben. Aber das reale Leben sieht manchmal eben anders aus, als es Ratgeber und Experten vermitteln. Also schreibt sie ihr Tagebuch einer nachhaltigen Golferin. Und heute kämpft sie mit dem Autofahren.
Ich sag’s jetzt ganz offen. Golfmütter sind nicht umweltschonend unterwegs. Geht gar nicht. Nicht, wenn der Golfclub 15 Kilometer weg ist und zwei Kinder in zwei Altersklassen spielen, so wie bei mir.
Luca 10 Jahre, AK 12 Mannschaft, zweimal Teamtraining die Woche, 1x Konditionstraining, 1 x Einzelstunde.
Lotte, 15 Jahre, Damenmannschaft, AK 16 Mannschaft, Landeskader. Gefühlt ist ständig Training.
Und am Wochenende sind Turniere.
Ich fahre Auto. Täglich. Hin und her. Schule – Golfclub. Zuhause – Golfclub. Stützpunkt – Zuhause. Nein, zwei Kinder habe nie gleichzeitig Schule, sie haben auch nie gleichzeitig Training und außerdem haben sie ja auch sonst noch dies und das. Zeckenimpfungen, Ergotherapie, Spangenkontrolle und solche Dinge. Zu den Freunden in der Nachbarschaft fahren sie mit dem Rad, oder mit dem Roller. Das ist umweltschonend. Aber das machen sie ohne mich. Ich fahre Auto.
Das tue ich 400 bis 500 Kilometer die Woche. Reine Trainings und Turnierkilometer für die Kids. Nein, ich habe noch kein E-Auto, sondern den Kombi mit dem großen Kofferraum. Kein vernünftiger Mensch mit zwei golfspielenden Kindern und all‘ den Trolleys, dreckigen Golfschuhen, all‘ dem Keksgekrümel im Auto, kauft ständig neue Autos. Sorry, aber nach zwei Jahren sind sie völlig abgeschrammt. Auch von außen übrigens, weil ich in all‘ dem Gefahre, Geparke und dem Ein- und Ausladen eben einfach auch mal einen Pfosten übersehe. Das gibt ein paar Dellen. Das senkt den Wiederverkaufswert. Also fahre ich den alten Kombi weiter.
Letztes Jahr waren wir drei Tage in St. Andrews im Urlaub. Home of Golf, muss man ja mal machen, mein Mann und ich. Abends beim Spaziergang ging’s in der Trainings Academy vorbei, direkt am großen Puttinggrün. Lauter Fahrräder lagen am Boden, ein Haufen Jungs und Mädels hingen um das Puttinggrün rum. Beim Putten, beim Quatschen – keine Eltern in Sicht. Die Academy ist fünf Minuten Radlzeit von der Innenstadt entfernt.
Da erkannte ich: So sieht er aus, der Himmel auf Erden für Golfmütter. Golf in the City. Wohnortnah, umweltfreundlich, zeitschonend.
Ein ferner Traum.
Aber auch Golfmütter dürfen Träume haben.