Net-Zero-Ziele: Offsetting ist kein Allheilmittel
Das Net-Zero-Ziel im Sport ist populär. Im Golfsport hat sich zum Beispiel die DP World Tour verpflichtet, 2040 CO₂-Neutralität zu erreichen. Für die fünf Turniere der Rolex Series soll dies bereits 2023 gelten. Die Olympischen Spiele, bei denen auch ein Golfturnier stattfindet, sollen 2040 CO₂-neutral ablaufen. Unter dem Sports for Climate Action Framework der United Nations haben sich inzwischen mehrere hundert Sportverbände, Clubs oder Veranstaltungen versammelt, die sich alle dem Ziel verpflichten, 2040 CO₂-neutral zu sein.
Was bedeutet CO₂-Neutralität?
Was aber bedeutet dies genau? Geht man nach der Definition des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wird CO₂-Neutralität erreicht, wenn „die antropogenen (vom Menschen verursachten) Emissionen global durch den antropogenen Abbau während eines bestimmten Zeitraums ausgeglichen werden.“ Möglich ist dies zum einen dadurch, dass weniger CO₂-Emissionen verursacht werden, zum anderen aber auch durch den Ausgleich der CO₂-Emissionen mit gekauften CO₂-Zertifikaten.
Dieser Kauf von Zertifikaten wird längst nicht nur in der Industrie genützt, sondern auch von Privatleuten, die zum Beispiel die CO₂-Bilanz ihrer Flugreisen ausgleichen wolle. Rory McIlroy zum Beispiel glich bereits 2021 seine unzähligen Flugmeilen durch CO₂-Zertifikate aus. Auch bei Sports-Events nützen Sponsoren die Möglichkeit, durch dieses Offsetting den CO₂-Fußabdruck einer Veranstaltung zu verbessern. Die Rolex Events zum Beispiel verwenden 2023 Zertifikate nach dem sogenannten Gold Standard, die auch den Entwicklungszielen der United Nations entsprechen.
Reduktion vor Ausgleich
Der Ansatz also ist positiv und die Ziele sind es auch. Kritische Umweltschützer und Umweltwissenschaftler verweisen aber generell beim Thema CO₂-Zertifikate darauf, dass dem Klimawandel nur dann beizukommen sei, wenn die CO₂-Bilanzen durch eine echte Reduktion der Emissionen nicht durch deren Ausgleich verbessert würden.
Diese Argumentation wurde kürzlich durch eine Studie zum Effekt von sogenannten REDD+ Projekten untermauert, die als international anerkannte Maßnahmen gegen die Abholzung von Wäldern gelten. Die Studie eines Teams von Wissenschaftlern rund um Thales A. P. West von der Universität Amsterdam wurde in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Science veröffentlicht und kam zu dem Schluss, dass die positive Wirkung der Projekte gegen die Abholzung wertvoller Wälder offenbar deutlich überschätzt wurde. Überprüft wurden von den Wissenschaftlern 26 Gebiete in Südamerika, Afrika und Asien, die unter das Redd+ Schema fallen. Die Wissenschaftler kamen zu der Einschätzung, dass „die meisten der Projekte deutlich weniger positive Effekte erzielten als angekündigt. (…).“
Net-Zero ohne Offsetting im Golf derzeit unmöglich
Macht die Proklamation des Net-Zero-Ziels im Sport allgemein und auch im Golfbereich also überhaupt Sinn, wenn man bedenkt, dass in eine seriöse CO₂-Berechnung eines Golfturniers oder auch eines Golfclubs auch die Scope 3 Emissionen miteinkalkuliert werden müssen, zu denen der Bereich Mobilität gehört? Bei einem Golfturnier betrifft dies zum Beispiel auch sämtliche Flüge von Spielern, Caddies und Trainern sowie sämtliche Anfahrten der Fans. Auf einer normalen Golfanlage müssen alle Fahrten der Mitglieder zum Golfclub mit einberechnet werden. Hinzu kommt zum Beispiel der CO₂-Abdruck, der durch die Herstellung von Merchandise-Ware entsteht – Tausende von Kappen, Poloshirts oder Pitchgabeln bei einer US Open zum Beispiel. Aber auf Clubebene eben auch all‘ jener Poloshirts, in denen die Mitglieder einer Clubmannschaft antreten.
Faktor Reise treibt die Emissionen
Die Veröffentlichung der Studie zur Überbewertung der CO₂-Zertifikate im Bereich Wälder hat klargemacht, dass es für Sportverbände, Events und Vereine, die sich dem Ziel verschreiben, ihre CO₂-Bilanz gegen Null zu senken, vor allem darauf ankommt, an der Vermeidung und Reduktion von Emissionen zu arbeiten. Dass das Erreichen von Net-Zero damit speziell bei Golf-Veranstaltungen, bei denen hunderte Einzelsportler samt ihrer Betreuer-Teams individuell unterwegs sind und die Golfplätze meist so liegen, dass der weitaus größte Teil der Fans mit dem Auto oder gar dem Flugzeug anreist, derzeit nicht erreichbar ist, mag man auch daran ablesen, dass kein einziges Major-Turnier im Golfsport öffentlich ein Net-Zero-Ziel formuliert hat.
Am fehlenden Willen kann es kaum liegen: Wer sich zum Beispiel das durchaus ambitionierte Greenlinks Programm der britischen Open ansieht, erkennt, dass der R&A als Veranstalter versucht, die Nachhaltigkeit der Veranstaltung zu verbessern. Vermutlich hat purer Realismus aber dazu geführt, dass man darauf verzichtet hat, das im ersten Moment so schön klingende Net-Zero-Ziel auszurufen.
Eine Reduktion des CO2-Fußabdrucks für alle Akteure im Sport und damit eben auch im Golf das oberste Ziel. Was letztendlich zählt, ist der selbst erzeugte CO2-Wert von Golfer, Club, Verband oder Turnier – und der ernsthafte Versuch, diesen zu senken.