Von St. Andrews bis Sylt: Die Natur kann man nicht bekämpfen
Kein Golfplatz ist für die Ewigkeit gebaut. Vor allem dann nicht, wenn er an der Küste liegt. Eine Erfahrung, die immer mehr Golfplätze machen. Küsten-Erosion ist ein Thema, das Landstriche in den USA und Deutschland genauso betrifft wie in den Niederlanden oder England. Für Golfplätze bedeutet es: Golfbahnen müssen verlegt werden, Befestigungsmöglichkeiten entwickelt werden.
Von St. Andrews bis nach Dornoch
Wenn Ranald Strachan über „unsere erste Verteidigungslinie“ spricht, meint er die Dünenkette am Strand West Sands von St. Andrews. Dahinter befindet sich ein kurzes Stück Wiese, auf dem ein paar Schafe grasen, aber dann kommt der Jubilee Course. Wer Strachan fragt, ob es diesen in 100 Jahren angesichts von Klimawandel und Meeresspiegelerhöhung noch geben wird, hört. „Das weiß man nie, es kann sein, dass die erste Dünenlinie fällt, dann wäre der Jubilee Course betroffen. Aber dann haben wir ja noch die zweite Dünenlinie.“ Hinter der erstreckt sich der Old Course.“
Der Links Trust in St. Andrews als Eigentümer der Golfplätze ist nicht der einzige Golfplatzbetreiber, für den das Thema Erosion seit Jahren eine bekannte Größe ist. Weltbekannte schottische Linksplätze wie Brora, Montrose, Royal Dornoch oder North Berwick haben genauso damit zu tun wie englische Anlagen. Vor Donald Trumps Golfplatz Doonbeg in Irland bröselte die Küstenlinie ab, in Royal Portrush startete man Anfang 2024 mit der Sicherung der Küste.
Im englischen Royal North Devon Golf & Country Club blickt Clubmanager Mark Evans längst relativ abgeklärt auf die Situation: „Ich würde sagen, es war zu Beginn ein sehr frustrierendes Thema, aber wir haben uns daran gewöhnt.“ Der älteste Golfclub in England und Wales, gegründet 1864, hat inzwischen bereits zwei neue Löcher gebaut, jetzt sind die Bahnen 6 und 7 im Fokus. „Ich würde sagen, das hat so um 1970 angefangen, da war das achte Grün schon immer überflutet.“ Jetzt ist ein anderer Teil der Küstenbahnen immer wieder mit Salzwasser bedeckt, wird von Winderosion bedroht oder schwere Stürme mit meterhohen Wellen greifen das Gelände an. „Ich denke, unsere Zeit hier ist begrenzt, aber wahrscheinlich können wir diesen Zeitraum etwas verlängern, indem wir weitere Bahnen nach innen verlegen. In dem Fall bleiben uns wahrscheinlich eher 100 statt 30 Jahre.”
Wer an dieser Stelle automatisiert das Wort „Klimawandel“ bemüht, um auf die Ursache für die Küstenerosion zu verweisen, greift zu kurz. „Man muss sich da jeden Ort und jeden Golfplatz ganz individuell ansehen“, sagt der Geomorphologe Alastair Dawson, Honorarprofessor an der University of Dundee, der sich seit mehr als 20 Jahren mit Golfplätzen und ihren Landverlusten beschäftigt. Nein, den steigenden Meeresspiegel für die Verluste zu bemühen, sei im Moment unsinnig, stellt er fest. „Die paar Millimeter spielen bis dato keine Rolle.“ In 70 oder 80 Jahren könne die Lage natürlich eine andere sein, wenn der Meeresspiegel unter Umständen höher und schneller steige.
Jetzt aber ist Küstenerosion ein Problem, das auf unterschiedlichsten Ursachen beruht. An der Küste Englands zum Beispiel, wo es an vielen Steilküsten bröckelt, sei das Gelände oftmals eine unstabile Mischung mit Lehm und Sand aus der Gletscherzeit, die bei starken Stürmen nicht halte.
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Die Stürme sind das eigentliche Problem, das sich auch durch den Klimawandel verstärke. Wie der Weltklimarat IPCC in seinem sechsten Sachstandsbericht mit dem Titel Climate Change 2021: The Physical Science Basis, feststellte, ist eine Zunahme von extremen Wetterereignissen, einschließlich Stürmen, in Europa, Fakt. Diese sind nicht nur häufiger, sondern fallen auch stärker aus.
Die Konsequenzen für die Küsten sind klar: Als der Sturm Babet im Oktober 2023 über die Küste Schottlands fegte, verlor der Abschnitt West Sands Strand etwa einen Meter an vertikaler Höhe über den gesamten Strand hinweg. Zudem kam es zu erheblichen Schäden entlang der Dünenfront, wobei alle Dünenpfade betroffen waren, was zu beträchtlichen Abbrüchen beim Übergang von den Dünen zum Strand führte. „Hätten wir vorher nicht über Jahre durch die Sperrung des Dünenbereichs für Strandbesucher und die Bepflanzung mit Strandhafer dafür gesorgt, dass die Dünen geschützt sind, hätte der Verlust noch höher sein können“, resümert Ranald Strachan.
Im Falle der Nordseeinsel Sylt in Deutschland geschieht das acht Kilometer vor der Insel in 15 Meter Tiefe, wo sich enorme Sandvorkommen befinden. Dr. Theide Wöffler, Küstenmorphologe, ist der Experte, der für das Land Schleswig-Holstein das Thema Erosion beurteilt. „Für die Vergangenheit können wir sagen, dass wir den Rückgang an der Westküste auf Sylt stoppen konnten. Wir haben 1984 damit angefangen, jährlich Sand aufzuspülen. Wenn wir uns dann die Vermessungsdaten angucken von vor 1984, dann hatten wir da einen mittleren jährlichen Rückgang an der Westküste von ein bis 4 Metern. Das konnten wir mit den Sandvorspülungen seit 1984 komplett stoppen. Eine kleine Ausnahme sind die Inselenden auf Sylt, die Hörnum Odde und List.“
Aufwand für Küstenschutz vor Sylt wächst
Allerdings macht sich auch vor Sylt der Klimawandel bemerkbar. Die stärkeren Stürme führen zu größeren Abtragungen. „Wir haben in der Vergangenheit immer durchschnittlich 1.000.000 Kubikmeter pro Jahr aufgespült und werden jetzt nächstes Jahr damit anfangen, 1,2 Millionen Kubikmeter pro Sand aufzuspielen“, erklärt Wöffler. Am Ende, so sein Hinweis auf die stetig steigenden Kosten für den Prozess, müsse sich die Gesellschaft irgendwann in der Zukunft die Frage stellen, ob der Aufwand zum Schutz der Insel und der dahinter liegenden Inseln und Landstriche gerechtfertigt sei.
Sylts Golfplätze sind derzeit von der Küstenerosion nicht betroffen, da mit Budersand ohnehin nur ein Platz an der offenen Meerseite liegt. Dieser befindet sich zwar im Bereich der Hörnum Odde, hinter der Düne Budersand, die durchaus von Erosion betroffen ist, allerdings in keinem Ausmaß, das den Golfplatz gefährdet.
Längst verabschiedet haben sich die deutschen Küstenexperten von Tetrapoden aus Beton, die früher die Erosion aufhalten sollten. Technische Mittel, von denen Alastair Dawson auch in Schottland viele gesehen hat. Seine Meinung dazu ist relativ eindeutig. “Je mehr ich an der Küste Schottlands unterwegs war, umso mehr künstliche Bauwerke zum Schutz der Küsten haben mir gezeigt, dass sie nicht funktionieren.“ Der Grund: Die Brandung suche sich dann eben den nächstgelegenen Angriffspunkt hinter der Befestigung und sorge dort für Erosion. „Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen für Golfplätze, wo die Menschen eigentlich selbst für die Zerstörungen gesorgt haben, weil sie unabsichtlich technische Möglichkeiten verwendet haben, die nicht funktionieren.“
Naturbasierter Küstenschutz als Lösung
An dieser Stelle wird das Thema Dünenschutz fast ein wenig philosophisch. Die Welt der Experten ist sich nämlich nicht hundertprozentig einig, wie man der Erosionsgefahr am besten begegnet. Während ein Teil der Wissenschaftler durchaus dafür plädiert, die Dünensysteme sich komplett selbst zu überlassen, setzen viele andere Geomorphologen auf sogenannten naturbasierten Küstenschutz, wo mit Hilfe von Strandhafer oder anderen Pflanzungen für die Befestigung von Küsten gesorgt wird. Ingenieure dagegen weisen auf technische Möglichkeiten der Befestigung hin, die in der Regel mit hohen Investitionen verbunden sind. Im Royal North Devon Golf Club hat man sich angesichts der hohen Kosten für 88 notwendige Befestigungsblöcke längst von der Idee eines künstlichen Küstenschutzes verabschiedet.
Auch in St. Andrews konzentriert man sich ebenso wie im nördlicher gelegenen Royal Dornoch Golf Club auf natürliche Maßnahmen zur Dünen-Vitalisierung und Rückgewinnung von Küstengelände. Die Erfolge sind klein aber immerhin konstant.
Golfer und Touristen, die am ersten Tee des Old Course von St. Andrews stehen, erfahren nichts von dem stetigen Kampf um die Küste, der Teile des Old Course und seiner Nachbarplätze auf lange Sicht durchaus existentiell gefährden könnte. In Royal North Devon braucht es keine Schilder, um über die Thematik zu informieren. Ein Blick auf die erodierten alten Küstenbahnen, die inzwischen verlassen in Strandnähe liegen, spricht Bände. Die Golfer haben sich längst an die neuen Golfbahnen gewöhnt. „Wir nehmen unsere Mitglieder mit auf diese Reise, informieren sie die ganze Zeit”, resümiert Clubmanager Evans. Die Golfer in North Devon teilen längst seine Meinung: “Die Natur kann man nicht bekämpfen.“