Wir sprechen an diesem Tag in Golf de Chantilly viel über Zeit – weil es eben viel Zeit und viel Geduld braucht, um das Management von Golfplätzen aus Greenkeeping-Sicht auf den Kopf zu stellen. Genau das ist in Golf de Chantilly passiert: „Wir haben eine komplette Umkehr hingelegt bei den Themen Wasser, Pestizide und Dünger“, sagt der Geschäftsführer Rémy Dorbeau und blickt auf die Testflächen für neue Gräser, die sich ein wenig abseits des historischen Clubhauses befinden.
Die französische Golfanlage, etwa eine Stunde von der Innenstadt Paris entfernt, gehört zu den großen Namen des Golfsports in Frankreich. Eröffnet 1909 wurde hier elfmal die Open de France ausgetragen, dazu unzählige prestigeträchtige Amateurturniere. Auf den Siegertafeln im Clubhaus stehen Namen wie Bobby Jones oder Nick Faldo. Das Clubhaus lebt noch heute von der Atmosphäre eines klassischen Traditionsclubs, das Handy bleibt ausgeschaltet und die Mitglieder kennen sich.
Die Umwelt und die Pflegebedingungen aber haben sich massiv geändert: „Als ich hier 2001 angefangen habe, gab es immer wieder Frost. Den gibt es schon lange nicht mehr“, sagt Dorbeau. Damals wurde die Anlage entsprechend den Leitlinien amerikanischer Golfplätze gepflegt, viel Wasser, viel Dünger, bei Bedarf viel Pesitzide. Die rigiden Wasserbeschränkungen der französischen Behörden gelten aber für alle Sportanlagen, egal ob Poloclub, Fußballstadium oder Golfplatz. Für Golf de Chantilly bedeutet das: 55.000 Kubikmeter Grundwasser darf der Club für zwei 18-Löcher-Plätze, einen Kurzplatz und die Trainingsflächen entnehmen. Ähnlich restriktiv sind die Bestimmungen, wenn es um die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln geht.
Transformation braucht starke Führung
„Weniger ist mehr“ – das ist die Losung, nach der die Clubführung seit 2001 arbeitet, zu Zeiten, als die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit noch weit weniger aktuell waren als heute. „Starke Präsidenten, die viel über den Golfsport wussten und alle hinter der gleichen Idee von neuem Pflegemanagement standen“, haben die Umsetzung zusammen mit dem Präsidium möglich gemacht und die Maßnahmen in der Mitgliedschaft durchgesetzt. „Wer eine solche Umstellung angeht, braucht das politische Umfeld im Club, sonst geht es nicht“, lautet Rémy Dorbeaus Bilanz.
Die Transformation in Golf de Chantilly umfasste eine ganze Reihe von Maßnahmen.
- Bäume: „ Wir haben sicher 1000 Bäume gefällt“, erklärt Dorbeau. „Bäume sind großartig, aber wenn zu viele von ihnen um zu wenig Wasser kämpfen, muss man sie begrenzen. Wir haben jetzt die richtigen Bäume an den richtigen Stellen stehen und haben uns auf heimische Bäume konzentriert.“
- Gras: Dorbeau gehört zu jener Gattung von Greenkeeper, die tagtäglich über die Anlage läuft, sich die Gräser im Rough, die Gräser auf den Fairways und Grüns ansieht. „Ich habe festgestellt, dass sich Fescue bei uns im Rough sehr gut entwickelte.“ Genau diese Art wollte er auf den Fairways etablieren, legte Versuchsflächen an. Er legte Kultivierungsflächen mit 40 Arten im Jahr 2001. Vier Jahre lang inspizierten er und das Präsidium die verschiedenen Bereiche. 2005 wurde ein komplettes Overseeding beschlossen. „Wir können Dein Fesuce nicht sehen“, hörte sich Dorbeau in den folgenden Jahren immer wieder von den Mitgliedern an. Zehn Jahre später konnte er einen Fescue-Gehalt von 70 bis 90 Prozent vorweisen. Die Poa-Gräser, die bei seinem Dienstantritt auf den Grüns dominant waren, sind inzwischen auf den Grüns auf unter fünf Prozent reduziert. Den rigiden Wasserentzug mochten sie nicht. Inzwischen experimentiert Dorbeau auf seinen Versuchsflächen sogar mit Bermudagras. „Ich habe es auf einem Fairway gefunden. Es war ein kleiner Fleck, inzwischen sind es ein paar Quadratmeter.“ Gut möglich, dass die Fairways der Zukunft eine Mischung aus Bermuda und Fescue enthalten.
- Düngung und Pflanzenschutz: „Der niedrigste Level ist der beste Level“ – in Golf de Chantilly ist man komplett weg von der Vorstellung, dass ein guter Golfplatz wie ein amerikanischer Spitzenplatz der 90er Jahre aussehen muss. Tiefgrün, stark gedüngt. Thomas Meunier, der Superintendent der Plätze, kann den Vergleich zu australischen und neuseeländischen Top-Anlagen ziehen, auf denen er einige Jahre arbeite. „Da wurde immer sofort gespritzt und zwar deutlich mehr. Der Unterschied bei den Pestiziden ist enorm.“ Die Lösung ist für das Greenkeeping-Team klar: Haupt-Krankheiten, vor allem Dollarspot, müssen durch die Auswahl der richtigen Gräser und das richtige Management massiv reduziert werden.
- Beregnung: „Wasser ist der Schlüssel“, sagt Dorbeau. Um diese Ressource wird sich in Zukunft alles drehen. Auf dem Platz Longères ist die Fairwayberegnung längst ausgeschaltet, auf dem Championship Platz Vineuil läuft sie sehr vereinzelt. Nachdem der Bau von Speicherteichen verboten ist, erarbeitet man gerade Wasserkonzepte mit den benachbarten Sportanlagen. Der Bau einer Zisterne steht an. 15.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr will man über die Dächer und die Drainage der Parkplätze auffangen. In Golf de Chantilly ist Wasser ein wertvolles Gut, das man sorgsam behandelt. Die Fairways sind vom Abschlag zwar breit, aber alle Bereiche, die nicht unbedingt zum Spiel gehören stehen, voll von hohen Gräsern. Bälle finden sich dort reichlich.
- Kommunikation: Warum das Rough hoch, die Fairways je nach Wetter braun und die Grüns hart sind, hat man den Mitgliedern in den fast 20 vergangenen Jahren ein ums andere Mal erklärt. Seit zwei Jahren veranstaltet der Club einmal monatlich für jeweils zwölf Personen eine Führung. „Wenn wir wollen, dass die Mitglieder Teil des Projektes sind, müssen wir es ihnen erklären.“ Das ist auch mit den Greenfeespielern nicht anders, erklärt Dorbeau: „Wir haben durchaus Gäste, die uns sagen, dass 140 Euro Greenfee zu hoch sind, weil der Platz braun ist. Wir erklären ihnen unsere Strategie und geben ihnen die Adresse von grünen Plätzen in der Nachbarschaft.
Die Less-is-more-Strategie ist dauerhaft
Am Ende, so die Einsicht, hängt die Zukunftsfähigkeit der Anlage eben davon ab, dass man das Projekt „weniger ist mehr“ auf Dauer durchzieht. Es ist eine andere Golfanlage, auf die Rémy Dorbeau fast 20 Jahre nach seinem ersten Arbeitstag blickt. Weite natürliche Grasflächen, durchzogen von Fairways und Grüns erstrecken sich auf dem 160 Hektar großen Gelände. Verschiedenste Grünnuancen changieren, Baumriesen kommen ins Bild. Flach und subtil onduliert markieren die riesigen Grüns das Ende der Bahnen. Markant sind die Bahnen, aber sie drängen sich der Umgebung nicht auf. Golf und Natur fügen sich zusammen – es bleibt ein erstklassiges Spielerlebnis.