Der Golfer und das E-Auto: Die Ein-Jahres-Bilanz
„Hat alles geklappt?“ und „Wie lange hat es gedauert?“ – diese zwei Fragen haben mich 2023 begleitet. Es war mein erstes Jahr als Fahrer eines reinen E-Autos, und das, bei rund 30.000 bis 35.000 Kilometer Strecke. Die addieren sich eben auf, wenn man als Journalist in Sachen Golfsport in Europa unterwegs ist. Reichweite 430 Kilometer lautete die Ansage für den schwarzen SUV eines deutschen Autoherstellers, mit dem meine Reise in die Mobilität der Zukunft im März 2023 begann. Zehn Monate später kann ich vor allem zwei Dinge sagen: Ja, ich bin an jedem Golfplatz angekommen. Und: Nie zuvor in meinem Leben zuvor habe ich in Clubhäusern und auf Parkplätzen von Golfclubs nur ansatzweise ähnlich oft mit Mitspielern, Fremden und Freunden über mein Auto gesprochen.
Zur Einordnung: Deutschland ist zwar das Mekka der hochmotorigen Top-Fahrzeuge a la Porsche, Mercedes, BMW und Audi. Deutschland ist aber kein Spitzenreiter beim Thema E-Mobilität, Zwar waren unter den rund 1.4 Millionen Neuzulassungen in Europa zwischen Januar und November 2023 immerhin 470.000 Fahrzeuge aus Deutschland, die höchste Zahl aller Länder Europas. Der Anteil der E-Autos an allen Fahrzeugen liegt aber unter 20 Prozent. Die Early Adopter, in deren Gruppe auch ich nach Aussagen meines Autoverkäufers anscheinend falle, fahren laut KFZ-Experten jetzt alle elektrisch. Alle anderen deutschen Autofahrer sind offenbar gerade in der Überzeugungsphase.
Die Reaktionen
Golfer aus dieser Gruppe traf ich reichlich. Eine der ersten Reaktionen lieferte eine Golf-Freundin aus der Nachbarschaft, die in meinem Carport kritisch um mein Auto streifte, um zu folgendem Fazit zu kommen. „Sieht ja aus wie ein ordentliches Auto. So etwas könnte man ja kaufen“, womit sie auf die in Deutschland nicht selten vorkommende Meinung anspielte, dass sich die Fahrzeuge der international führenden E-Hersteller aus amerikanischer und chinesischer Produktion, angeblich vergleichsweise schnell in ihre Einzelteile auflösen.
Aber wir schweifen ab: Als mein Mann (überzeugter E-Fahrer) und ich im Frühjahr zu einem größeren Turnier in Hamburg anreisten, blieben die Mitstreiter mit Blick auf unser Nummernschild vor dem Auto stehen und kommentierten: „800 Kilometer aus München, oh Gott, wie lange habt Ihr denn dafür gebraucht?“ Es klang, als seien wir Teil einer wochenlangen Esels-Karawane gewesen.
Als ich einer Mannschaftskollegin eine Fahrgemeinschaft zu einem Auswärts-Spieltag anbot, fragte sie vorsichtig an, wie viel früher als alle anderen wir da zu starten hätten. Und als wir das Auto zum ersten Service beim Mercedes-Händler brachten, kommentierte der Mercedes-eigene Techniker unser eigenes positives E-Fazit: „Es geht aber doch nichts über einen ordentlichen V8“.
Reisen
Golfer reisen. Auch mit dem E-Auto. Ich habe im italienischen Gardagolf Country Club geladen, im deutschen Golf Club Würzburg, im GC Schloss Pichlarn in Österreich, am Neuenburgersee im Golf de Vuissens und im Tessin im GC Losone – um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Die E-Tankstelle wird zumindest für Top-Golfanlagen längst zu einem Muss.
Auf den rund 1600 Kilometern zuerst nach Woodhall Spa und dann zur British Open nach Liverpool war das Laden ebenso wenig ein Problem, wie bei der Amundi German Masters in Berlin oder der Evian Championship im französischen Evian. Dass mir dort beim Check-in im Hotel der Autoschlüssel aus der Hand genommen und das Auto kostenlos aufgeladen wurde, weil es Teil des Hotelservice ist, war besonders wunderbar. Mein Benziner davor wurde nie kostenfrei betankt.
Zugegeben: In Tschechien rund um den Golfclub Karlovy Vary war die Auswahl an Ladestationen eher mickrig. Ansonsten fiel meine Erfahrung mit Ladesäulen vor allem an Autobahnen für mich selbst überraschend positiv aus: Es gab reichlich davon, auch Schnellader, bei denen ich nach 30 Minuten mit einem 80 Prozent vollen Akku wieder abreisen konnte.
In zehn Monaten musste ich nur einmal auf einen freien Ladepunkt warten, als ich vom Golfclub Bad Ragaz in der Schweiz an der Raststation Heidiland rausfuhr, wo tatsächlich noch 14 andere E-Fahrer gleichzeitig tankten.
Plus und Minus
Das Fahren mit einem E-Auto entpuppte sich als erfreulich preisgünstig, vor allem dann, wenn man eigenen Solarstrom vom Hausdach nutzen kann, der zumindest im Sommer reichlich fließt. In Deutschland jedenfalls ist Tanken mit Diesel oder Benzin ein gutes Stück teurer.
Der Co2-Bilanz von Golf Sustainable hat der Umstieg auf das E-Fahrzeug nur gutgetan. Bei rund 35.000 Kilometer Fahrleistung kamen bei meinem alten Auto knapp 20 Tonnen CO2 heraus. Jetzt gibt mir der CO2-Rechner einen Wert knapp unter zehn Tonnen an. Das ist immer noch mehr als doppelt so viel wie mit der Bahn – aber um ehrlich zu sein: Die Erreichbarkeit von Golfanlagen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist in weiten Teilen Europas eben einfach alles andere als toll.
Mit Blick auf die CO2 Bilanz von Golfanlagen, die in 20 Jahren wahrscheinlich Standard sein wird, muss man an dieser Stelle noch hinzufügen: Im Moment macht nicht nur bei Golfturnieren, sondern eben auch bei Golfclubs die Mehrheit der Verbrenner-Fahrzeuge auf dem Parkplatz jede CO2-Bilanz zu einem Graus. Die Transformation zum Net Zero-Golfclub wird in Zukunft deshalb auch erheblich durch den Fuhrpark der Mitglieder bestimmt werden.
Erfahrungen
Es gab auch witzige Begegnungen: Mitten im Allgäu zum Beispiel, wo ich spätabends die Besitzerin eines B&Bs bat, mir ihre private E-Ladestation zu leihen, weil es ansonsten nirgendwo einen Ladepunkt gab. Ein 20-Euroschein wechselte die Besitzerin und am nächsten Morgen war mein Auto vollgeladen und ich startklar.
Negativ-Erlebnisse? Ab und an hätte ich gerne ein wenig kräftiger aufs Gaspedal gedrückt. Deutschland, das Land der grenzenlosen Autobahnfreiheit, hätte oft auch locker die 160 km/h hergegeben. Aber um ehrlich zu sein: Das Festhalten der deutschen Bundesregierung an der unbegrenzten Raserei ist ohnehin nicht zu erklären, da in Europa einzigartig. Und wer schließt sich schon gerne solch‘ antiquarischer Denkweise an?
Fazit
Ich bin pünktlich angekommen. Bei jedem Golfplatz. Die Fahrt zurück von der British Open nach München hat eineinhalb Tage gedauert – genauso lang wie 2022 mit meinem alten Verbrenner.
Und noch etwas: Auf dem Golfplatz meines Heimatclubs parken inzwischen deutlich mehr E-Autos als vor einem Jahr.