Eigentlich ist dies eine Tour über einen Golfplatz. Aber bald wird daraus eine Exkursion in unbekanntes Terrain. Helena Crouch, Regionalleiterin der Botanical Society of Britain and Ireland, steht zwischen mannshohen Gräsern und strahlt. Kurze Zeit später fasst sie ein paar kleine, angetrocknete – um ehrlich zu sein nicht besonders aufregende – Grasbüschel an. Poa bulbosa. Gelistet unter den englischen Rote Liste Arten. Es ist nicht die einzige seltene Art, die sich auf dem Golfplatz von Burnham & Berrow an der Küste von Cornwall findet.
Die Golfanlage mit ihren 27 Löchern ist vor allem für ihre sportliche Qualität bekannt. Justin Rose hat hier im Juli 2024 das Final Qualifying Turnier für The Open für sich entschieden. Der Championship-Platz zählt zu den 100 besten Kursen in Großbritannien. Er windet sich durch die Landschaft der Berrow Dunes, die sich insgesamt noch über eine Länge von sechs Kilometern entlang der Küste von Somerset ziehen. Längst sind sie Naturschutzgebiet, da Sanddünenökosystem in dieser natürlichen Form an Englands Küsten weitgehend der Bebauung gewichen sind. Ein Blick von den Abschlägen des Golfplatzes auf die weitere Umgebung lässt erkennen: Wäre hier nicht 1891 der Golfplatz entstanden, längst wäre hier Wohnbebauung der Standard.
Inzwischen wird die Wertigkeit des Geländes geschätzt. Die Dünenlandschaft spielt eine wichtige Rolle beim Küstenschutz, beherbergt über 300 Pflanzenarten, ist ein wichtiger Lebensraum für viele Vogelarten, darunter auch Sandregenpfeifer und Zwergseeschwalbe. 1992 beschlossen das Somerset Council und English Nature einen Management Plan zur Revitalisierung der Dünen, nachdem invasive Arten und die zunehmende Nutzung durch Spaziergänger und Touristen das Gelände abwerteten. Die Botanikerin Helena Crouch beobachtet die Entwicklung der Pflanzen, die sich das Gelände nun mit den Golfern teilen.
Greenkeeping-Team berücksichtigt Ökologie
Sie ist zufrieden: „Das Greenkeeping-Team hier macht einen wirklich guten Job“, erklärt sie als sie auf einen dreistufigen Schnitt am Rande eines Fairways zeigt. „Hier sieht man, dass man extra Wert darauf gelegt hat, verschiedene Pflanzenarten durch den Schnitt nicht zu beschädigen.“ Die große Liebe der Greenkeeper richtet sich vor allem auf die Orchideen, für die das Gelände bekannt ist. Die Eidechsen-Orchidee gibt es nur hier. „Wir mähen sie auf jeden Fall nicht ab und wissen inzwischen ziemlich genau, wo es große Bestände gibt“, erklärt Headgreenkeeper Richard Whyman, dessen Team das Thema Ökologie vor allem auch seit der GEO Zertifizierung stärker im Blick hat. Die genaue Artenkenntnis fehlt dem Platzpflegepersonal oftmals, das aber, so Helena Crouch, spiele keine Rolle. „Sie mähen die Orchideen nicht herunter. Viele davon sind nicht wirklich besonders, aber indem sie diese schützen, helfen die Greenkeeper eben auch den anderen Pflanzen, die in ihrer Umgebung stehen.“
Speziell im Winter sind die Greenkeeper häufig mit dem Thema Entbuschung befasst. Vor allem die enormen Sanddornbestände, die sich über Jahrzehnte auf den Dünen breitgemacht hatte, gelten inzwischen als ungeeignet für den Küstenbereich und müssen nach und nach bis auf fünf Prozent Restbestand entfernt werden. Stattdessen ist es vor allem der Strandhafer, auf den die Ökologen von Natural England beim Thema Küstenschutz setzen.
Wenig Küstenerosion
Dabei ist die Golfanlage von Burnham & Berrows im Vergleich zu anderen britischen Linkskursen relativ wenig vom Thema Küstenerosion betroffen. „Nein, da haben wir eigentlich kein Thema“, resümiert Whyman und spricht stattdessen ein anderes Thema an, das zunehmend an Gewicht gewinnt: Wasser. Mit nur einem Beregnungsreservoir auf dem Gelände ist der Golfclub bis dato nicht üppig mit Wasserreserven für Trockenzeiten ausgestattet. Die Planung einer Lösung, die mehr Resilienz verspricht, ist allerdings bereits im Gange. Neben einer Optimierung des Wasserverbrauchs wird vor allem der Bau eines zweiten Wasserreservoirs angedacht. Regen sammeln, wenn er fällt, lautet die Losung für die Zukunft. Denn auch an der Küste von Somerset wird das Wetter zunehmend unkalkulierbar.
So unberechenbar wie Niederschläge und Sonne ist in manchen Bereichen eben auch die Vegetation. „Sie verändert sich mit der Zeit, genauso wie bestimmte Süsswasserbereiche auf dem Platz“, erklärt Helena Crouch den Golfplatz, der sowohl Salz- wie auch Süsswasserlebensräume enthält. Zusammen mit anderen Botanikern und Interessierten aus der Samerset Rare Plants Group macht sie immer wieder neue Entdeckungen auf dem Gelände. So wie die Nachtkerzen, die sich in der Abenddämmerung bei einer Exkursion im Juni 2023 vor der Gruppe geöffnet hatten. Hellgelbe Tupfer hoben sich von den vielfarbigen Grüntönen des Roughs an. Und das, obwohl die Pflanze eigentlich in Chile beheimatet ist. Inzwischen findet man sie weltweit in geeigneten Lebensräumen.
Nein, von Golf wisse sie eigentlich wenig, aber als Lebensraum für Fauna & Flora seien die Plätze extrem wertvoll, sagt Helena Crouch. Und um ehrlich zu sein, habe sie den Sport auch früher etwas skeptisch betrachtet. Inzwischen hat sich die Lage geändert. In den Rough jenseits der Spielbahnen fühlt sie sich zuhause. Golfplätze, so hat sie festgestellt, sind immer gut für eine kleine Exkursion.