Marcel Siem: Zurück zu kürzeren Plätzen und dem Shapen des Balls
Marcel, Du lebst jetzt auf Mauritius und bist Botschafter der Heritage Resorts – wieso ist die Wahl auf Mauritius und den Standort hier gefallen?
Marcel Siem: Die letzten sechs, sieben Jahre waren wir hier immer über Weihnachten und Silvester. Dann habe ich zufällig näheren Kontakt zu den Verantwortlichen bekommen. Wir sind ins Gespräch gekommen. Ich wollte für mich und die Familie ohnehin einen Neustart und Golf auch einmal richtig leben, so wie man es zum Beispiel auch in Florida machen kann. Nachdem ich aber nicht auf der US PGA Tour spiele, sondern auf der DP World Tour, macht Mauritius für mich Sinn. Mit den Turnieren in Afrika und der UAE ist es auch vom Reiseaufwand gut machbar. Das Ganze war dann zwar mit meiner Achterbahn auf der Tour in 2022 und der Krankheit und Genesung von Laura eine Hauruckaktion, aber jetzt sind alle in der Familie superhappy. Die Menschen hier sind extrem positiv, die Qualität der Golfplätze ist sehr, sehr hoch, die Pflege hier auf dem Golfplatz im Heritage Resort ist immer klasse und der neue Golfplatz La Reserve wird auch eine Bombe.
Im Juni 2022 hast Du bekanntgegeben, dass Du in Kooperation mit Deinem Sponsor AQ Green TeC Deinen CO₂-Ausstoß als Golfprofi ermittelst und ausgleichst. Gilt das auch für 2023?
Marcel Siem: Ja, auf jeden Fall. Ich habe auch versucht, andere Spieler auf der Tour zu motivieren, aber leider ist das Thema bei vielen noch nicht so angekommen.
Wie war denn überhaupt die Reaktion der Kollegen auf Deine Ankündigung?
Marcel Siem: Am Anfang war das schon ein bisschen schwer für mich. Der Aufdruck des Sponsors ist bei mir ja hinten auf dem Shirt, sodass es gut sichtbar ist. Die ersten Wochen haben mich die Leute erst mal ausgelacht, weil sie ja wussten, dass ich zwei Jahrzehnte Mercedes AMG gefahren bin. Inzwischen fahre ich einen Mercedes Hybrid, weil ich gemerkt habe, dass es mit einem reinen E-Auto bei der Fahrt zu den Turnieren noch schwierig war. Ich weiß auch, dass ich jetzt während des Jahres nicht CO₂-neutral bin. Aber ich zahle am Ende des Jahres für meinen CO₂-Fußabdruck und versuche das Thema anzugehen. Ich finde es superwichtig, und ich will auch für meine Kinder ein Vorbild sein.
Ist Nachhaltigkeit für Deine Kinder denn überhaupt ein Thema?
Marcel Siem: Unbedingt, die reden täglich darüber, weil das auf Mauritius auch in der Schule ein Riesenthema ist. Jetzt zum Beispiel sprechen sie gerade über den schwimmenden Müllteppich zwischen Kalifornien und Hawaii. Mich sprechen sie zum Beispiel an, wenn Spieler einen Privatflieger benutzen. Dann sagen sie mir schon, dass es einfach einen Riesenunterschied macht, ob eine Person oder 300 in einem Flieger sitzen. Und dann natürlich das Rauchen: Wenn ich eine Zigarette auf dem Platz anmache, darf auf keinen Fall eine Kippe auf den Platz fallen lassen und ich höre immer, dass eine Zigarette 14 Gramm CO₂ bedeutet. Ich muss einfach mit dem Rauchen aufhören, will ich ja eigentlich auch.
Erkennst Du als Spieler denn, dass sich die DP World Tour mit dem Thema Nachhaltigkeit im Profisport befasst?
Marcel Siem: Bei einigen Turnieren wird nun der CO₂-Ausstoß ermittelt. Ich bin einer von den Spielern, die beim Reporting mitmachen. Das bedeutet auch, dass zum Beispiel Callaway als mein Schlägerhersteller nun die Transportdaten für die Schläger angeben muss. Meine Sponsoren sind generell manchmal etwas genervt, weil sie jetzt alle Liefer- und Produktions-Daten liefern müssen. Aber irgendwo müssen wir ja mal anfangen. Ich fülle jede Woche ein Online-Protokoll zu meinen Reisen und anderen Faktoren aus. Generell ist es glaube ich wichtig, den Spielern im kompletten Profizirkus erst einmal auf nette Art und Weise mitzuteilen, dass wir jetzt einen Blick auf diese Prozesse werfen müssen. Wichtig ist nur, dass wir das nicht mit erhobenem Zeigefinger tun, denn wir sind nun halt auf einer Welt-Tour unterwegs.
Inwieweit ist das Thema Nachhaltigkeit bei den Spielern schon angekommen?
Siem: Ich würde sagen, kaum. Mein Blick auf das Leben hat sich ein wenig verändert, als ich vor einigen Jahren spielerisch durch ein Loch ging und keine Spielberechtigung mehr für die DP World Tour hatte. Da haben sich meine Prioritäten verschoben und mir sind heute ganz andere Sachen im Leben wichtiger geworden. Aber als junger Spieler sieht das eben anders aus. Wenn man gut spielt, hat man keinen Druck, verdient gut Geld und genießt das Leben. Generell müsste man die Spieler sicherlich mehr auf das Thema aufmerksam machen.
Bei der Open zum Beispiel gab es ja einige Projekte zum Thema Nachhaltigkeit. Bekommt man das als Spieler mit?
Marcel Siem: Nein, ich glaube nicht. Ich persönlich kann mich in dieser Saison nur an die Strandsäuberung bei ein, zwei Turnieren erinnern. Solche Sachen sollte man nicht vereinzelt machen, um gute Bilder für Social Media zu produzieren, sondern kontinuierlich. Allerdings muss ich auch sagen, dass die Motivation natürlich immer stark davon abhängt, wie es sportlich läuft. Wenn man selbst gestresst ist, weil man schlecht spielt, denkt man nicht noch über Medienaktionen zur Reduzierung von Plastikflaschen nach. Aber dafür sind wir ja jede Woche 156 Spieler. Da sollten sich eigentlich jede Woche ein paar Leute finden, die bei einer Aktion mitmachen.
Hat der Golfprofi als Botschafter Möglichkeiten, das Thema in der Golfszene zu pushen?
Marcel Siem: Zumindest über die Social Media Accounts. Die müssten wir dafür eben mal richtig nutzen. Ich denke, wir können auf jeden Fall darstellen, dass Golfplätze eben nicht ständig mit Pestiziden bearbeitet werden und voller Chemie stecken. Oder dass Golfplätze eine tolle Landschaft bieten und auch für Tiere wichtig sind. Grundsätzlich glaube ich, man müsste das Thema von Seiten der Tour den Profis gegenüber durchaus etwas offensiver angehen, damit sich die mehr damit beschäftigen. Die meisten von uns älteren Spielern haben ja Kinder. Und ich glaube, wir machen uns alle schon Gedanken: Was wird denn sein, wenn meine Kinder mal Kinder haben? Die Prognosen sehen ja aktuell schon ein bisschen bitter aus.
Die EU-Kommission diskutiert ein komplettes Pestizidverbot auf Golfplätzen. Innerhalb der Golfszene fürchten viele, dass dann auch die Qualität der Plätze zurückgeht. Wie siehst Du das als Spieler, der jede Woche auf möglichst guten Grüns spielen will?
Marcel Siem: Mal gucken, ich glaube aber, dass es sicher jemand gibt, der clever genug ist, mit einer biologischen Lösung um die Ecke zu kommen. Hier im Heritage Resort läuft das ja zum Glück sehr gut. Ich gehe immer wieder zum Angeln an den Teichen, die sind sauber und das Wasser ist gut. Das ist nicht immer so: Ich war auch schon auf Golfanlagen, wo die Fische tot im Weiher an der Oberfläche schwammen und man sich gefragt hat, was da so alles im Wasser steckt.
Wie sieht für Dich der Golfplatz der Zukunft aus? Muss er tiefgrün sein oder gehen auch braunere Fairways wie auf den Linkskursen?
Marcel Siem: Hier auf der Insel ist die Ressource Wasser ein Riesenthema. Da wird gerade in den Trockenperioden auch viel über das Sparen von Wasser gesprochen. Die Plätze sind dann auch trockener und werden nicht ständig bewässert. Ich finde braune, richtig harte Golfplätze ja sowieso viel besser. Dann ist es bouncy, ein bisschen schwerer zu spielen und man muss eben auf den Punkt treffen – wie Dart. Für gute Eisenspieler ist das immer ein Vorteil. Wenn der Platz matschigweich ist, kann jeder spielen. Außerdem sollte man der Natur eben ihren Lauf lassen.
Auf Dauer stellt sich auch die Frage, ob sich Golfanlagen die Ressourcen für die immer länger werdenden Plätze noch leisten können. Du schlägst den Driver auch über 300 Meter weit, funktioniert Profigolf nur mit so langen Plätzen?
Marcel Siem: Nein. Ich bin ein Fan davon, dass man die Plätze jetzt nicht unbedingt immer länger, breiter und pompöser machen muss. Ich finde es oldschool gut, zum Beispiel mit coolem Baumbestand, der den Platz schwer macht und mit ondulierten Grüns. Dann geht es nicht nur um Länge, sondern viel mehr darum, was man mit dem Ball anstellen kann. Das finde ich schöner und besser.
Welche Rolle spielt der Ball dabei?
Marcel Siem: Wenn die Plätze kürzer wären und es wieder viel mehr ums Shapen des Balles geht, wäre das cool. Allerdings muss man auch sagen, dass die Bälle heutzutage das Shapen von früher ja gar nicht mehr hergeben. Ich fände es viel geiler, wenn die Plätze wieder enger würden und alles auf engerem Raum gespielt wird. Wenn man damit noch der Natur helfen kann, ist es doch mega.