Kreislaufwirtschaft: Wenn der Golfshirt-Stapel weiter wächst
Die Aussichten sind vermeintlich rosig: Laut eines Reports des Marktforschungsunternehmens Fact.MR zur Entwicklung des Golfbekleidungsmarktes, wächst dieser von 2023 Milliarden US Dollar auf 5,4 Milliarden US Dollar Ende 2033 an. Als Schlüsselmärkte werden die USA, Deutschland und Japan ausgemacht.
Mehr Golfshirts als Golfrunden
Der Blick in den eigenen Kleiderschrank ergibt im Hinblick auf das Thema Golfmode: Allein 33 Golfshirts liegen schön sortiert nach Farbe in vier Stapeln aufgereiht. Für Joanna Czutkowna, CEO bei 5Thread und Expertin für Nachhaltigkeit im Bereich von Mode, stellt sich an dieser Stelle eine Frage. „Halten wir an der Idee des Überkonsums fest?“. Oder, so fragt sie, stellen wir unser Verhältnis zum Thema Bekleidung um, betonen Faktoren wie Langlebigkeit, Haltbarkeit, Möglichkeiten zur Ausbesserung? Am Ende geht es für sie auch darum: „Bekleidung wird im Sport oftmals verschenkt, damit nehmen wir ihr den Wert.“ Sportbekleidung wird wie andere Bekleidung auch zu Fast Fashion. Laut Schätzungen der Europäischen Umweltagentur ist die Modebranche mit etwa zehn Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen beteiligt. In der EU wurden durch Mode im Jahr 2020 pro Person rund 270 Kilogramm CO2-Emissionen verursacht. Hinzu kommt, dass die Überproduktion von Modeartikeln zu riesigen Mode-Müll-Deponien in Entwicklungsländern führt.
Golf-Shirts sind im Golfsport das Bekleidungsstück schlechthin. Das Logoshirt am Urlaubsort oder in einem bekannten internationalen Golfclub ist der Standardkauf. Die Merchandising-Hallen beim Ryder Cup, der Open oder auch der Masters sind voll von Shirts in allen Varianten. Dabei wächst die Nachfrage nach Produkten, die als „nachhaltig produziert“ ausgewiesen sind. Wobei Czutkowna an dieser Stelle darauf hinweist, „dass es das nachhaltigste Sportshirt in dieser Form nicht gibt“, weil Nachhaltigkeitsfaktoren ganz unterschiedlich ausfallen können. Sei es, dass beim Material angesetzt wird, bei den Produktionsmethoden, der Verkürzung der Lieferwege oder zum Beispiel dem Verpackungsmaterial. Die Möglichkeiten sind vielfältig.
Geringer Preis und Überproduktion
„Das nachhaltigste T-Shirt ist das, das wir nicht kaufen“, erklärt Czutkowna und verweist auf den Aspekt der Kreislaufwirtschaft, der gerade im Sport bis dato kaum Relevanz hat. Womit wir wieder beim Golfshirt wären und beim Thema Golfteams. Ein Beispiel ist ein Durchschnittsgolfclub mit zehn Jugendteams und jeweils sechs Spielern, von denen jeder pro Jahr ein Golfshirt und einen Pullover mit Clublogo erhält. Im Ergebnis kommen allein bei dieser Basisausstattung 60 Shirts und 60 Pullover zusammen. Bei Damen- oder Herrenmannschaften, sportlich ambitionierten Clubs, College- oder Auswahlteams sind Saisonausstattungen von bis zu 50 Teilen pro Person vom Headcover für die Schläger bis zur Socke keine Seltenheit.
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„Sportclubs arbeiten in der Regel direkt mit einem Hersteller zusammen, niedriger Preis spielt da häufig eine wichtige Rolle“, erklärt Czutkowna. Und: Geordert wird in der Regel bereits im Herbst vor der Saison. „Dann wissen die Clubs nicht, welche genaue Anzahl an Spielern sie haben und welche Größen sie brauchen. Überproduktion ist also ein Problem.“ Während in einem normalen Golfclub die Erwachsenen die Bekleidungsstücke immerhin über mehrere Jahre tragen können, kommt im Bereich der Jugendmannschaften das Thema Wachstum hinzu. In der Regel passen Kindern die Shirts nur ein Jahr. In welchem Golfclub aber werden Bekleidungsstücke wieder eingesammelt, um sie im nächsten Jahr – falls sie noch gut genug sind – an Kinder oder Jugendliche auszugeben, die dann die passende Größe haben? „Es wäre eigentlich einfach hier Tauschbörsen einzurichten“, gibt die Modespezialistin zu bedenken.
Woran das System der Kreislaufwirtschaft im Golfclub scheitert?
- Zum einen an den Umsatzzielen des Proshop-Betreibers, mit dem ein Club häufig bei der Anschaffung der Bekleidung zusammenarbeitet. Dieser hat ein Interesse am Verkauf neuer Teile, das Prinzip Kreislaufwirtschaft läuft dem zuwider.
- Daneben aber auch oft an der geringen Wertigkeit der Bekleidungsstücke. Wenn der Nationalmannschafts- oder Collegespieler Bekleidung bekommt, nimmt der einzelne Spieler eben, was im Karton steckt. Auch, wenn er die zwei Gürtel vielleicht schon aus dem letzten Jahr hat oder Pullunder in seinem Leben nie tragen wird. Die Teile versauern dann im Schrank. Der Bekleidungssponsor hat sie bezahlt. Was soll’s also?
- Hauptsache neu ist oftmals die Devise. Will heißen: Für ein Teammitglied ist ein 15-Euro -Sweater vielleicht mehr wert als ein zehnmal getragenes hochwertiges Multifunktionsprodukt, das im Neupreis bei 150 Euro oder Dollar liegt. Langlebigkeit und Qualität sind im Moment noch keine Eigenschaften, welche die Attraktivität erhöhen.
„Im Sport spielt Bekleidung eine enorme Rolle“, hat Czutkowna in den vergangenen Jahren erkannt. Während weltweit inzwischen intensiv über Fast Fashion und andere Negativ-Auswirkungen der Entwicklungen im Modebereich diskutiert wird, steht der Sportbereich noch am Anfang. Puma immerhin hat kürzlich bekanntgegeben, dass Shirts für Fußballclubs in Zukunft zu 75 Prozent aus alten Fußallshirts hergestellt werden, die restlichen 25 Prozent stammen aus recyceltem Meeresplastik. Das Projekt RE:Jersey zeigt also, dass es Lösungswege gibt.
Wie oft wird Sportbekleidung benutzt? Wann ist sie tatsächlich so abgenutzt, dass sie nicht mehr verwendbar ist? Wie oft ist tatsächlich die Anschaffung neuer Sportbkleidung nötig? Das alles sind Fragen, die sich Sportler in Zukunft vermehrt stellen müssen, wenn sie auf das Thema Nachhaltigkeit Wert legen.
Der Blick fällt auf die Golfshirts im Kleiderschrank. 33 Stück harren dem Sommer entgegen. Gut möglich, dass das eine oder andere gar nicht zum Einsatz kommt.