Es ist heiß. Sehr heiß. Und es ist trocken. Während im Stadium von Wimbledon gerade das Habfinale der Frauen läuft und Zuschauer in der Hitze von mehr als 30 Grad zusammenbrechen, stehen drei Männer am ersten Tee des Wimbledon Common Golf Club. Ein paar Quadratmeter Grün, dahinter braunes Gras, wohin das Auge reicht. Englands Golfplätze sind mit einer Wasserkrise konfrontiert. Laut Angaben des britischen Wetterdienstes lagen zum Beispiel in London die Niederschlagswerte im Mai 40 Prozent unter dem Durchschnitt der zehn Jahre davor, im Juni 19 Prozent und im Juli 68 Prozent.
„Zahlreiche Clubs kämpfen mit den Kosten, weil sie Leitungswasser benutzen“, fasst der renommierte Golf-Berater Eddie Bullock die Situation zusammen. „Nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Clubs hat sich beim Thema Wasser auf Notsituationen vorbereitet.“
Tatsächlich ist die englische Golf-Industrie verglichen mit anderen international relevanten Golf-Nationen in einer besonders prekären Situation. Nach Schätzungen der BIGGA und der nationalen Wasserversorger benutzen zwischen 50 und 74 Prozent der Golfanlagen Leitungswasser, das in England nicht in öffentlicher, sondern in privater Hand ist. Die ersten Wasserversorger Yorkshire Water und South East Water haben in den vergangenen zwei Wochen bereits Nutzungsbeschränkungen für Haushalte herausgegeben, die zum Beispiel Verbote der Gartenbewässerung oder beim Autowaschen beinhalten. „Für die Zukunft ist unklar, inwieweit die Wasserversorger, Mengenrichtlinien herausgeben oder die Versorgung von Golfplätzen ganz einstellen“, resümiert Bullock.
„Wir haben bereits zwei Drittel unserer Wassermenge bis Ende Juni verbraucht, ab jetzt ist es eigentlich ein Glücksspiel“, erläutert der Manager eines der bekanntesten Privatclubs Londons, der beim Thema Wasser lieber nicht genannt werden will. „Wir hoffen einfach, dass es noch bis September reicht.“ Diesen und sehr ähnliche Sätze hört man in diesen Tagen häufiger, wenn man mit den Verantwortlichen englischer Golfclubs spricht. Die Situation ist kritisch, die nächsten Monate sind ungewiss.
Wasserkosten steigen massiv
Unabhängig von der verfügbaren Menge geht es inzwischen längst auch um Kosten. „Die Kosten für Wasser machen in diesem Jahr in unserem Budget einen deutlich höheren Posten aus als sonst“, resümiert Robert Brewer, General Manager des Royal Wimbledon Golf Club. Während auf Plätzen Kaliforniens jährliche Wasserrechnungen von 800.000 Dollar und mehr für die Bewässerung von 18 Löchern keine Seltenheit sind, spielten die Wasserverbrauchsrechnungen in England lange eine untergeordnete Rolle. In diesem Sommer aber werden zahlreiche Golfanlagen die 100.000 Pfund-Grenze deutlich überschreiten. Wasser ist damit zu einem wesentlichen Kostenfaktor geworden.
Situation war vorhersehbar
Dabei kommt diese Situation nicht überraschend. Bereits 2020 formulierte die BIGGA nach der damaligen Dürre die folgende Warnung: „Diese extremen klimatischen Bedingungen, werden schnell die Norm werden und eine grundsätzliche Bedrohung für die Nachhaltigkeit der Golfplätze darstellen.“ England Golf veranstaltete 2023 ein Water Summit, bei dem man auf die Gefährdungslage aufmerksam machte. Das Beratungsunternehmen Gather Golf organisierte in Cambridge 2024 eine Wasserkonferenz. Das Greener Golf Network, ein Zusammenschluss von 25 Golfanlagen in Leicestershire veranstaltete 2024 eine eigene Wasserkonferenz für diese Clubs. „Das Bewusstsein für die Situation wächst nur sehr langsam“, resümiert Bob Roberts vom Greener Golf Network. „Nur sehr wenige Clubs haben das Management und die Ressources, um sich langfristig aufzustellen.“
Newsletter abonnieren!
News & Trends rund um das Thema Nachhaltigkeit im Golfsport
Wer positive Beispiele sucht, findet sie. Im Woburn Golf Club wurde ein Speicherteich mit 110.000 Kubikmeter Fassungsvermögen gebaut. Hier verwendet man Grund- statt Leitungswasser. In Walton Heath findet sich immerhin ein Reservoir mit 26.000 Kubikmetern. Verwendet wird Wasser aus einem Brunnen. Wer über die Top-Anlage mit 36 Löchern im Südwesten Londons läuft, begegnet kontinuierlich Greenkeepern, die mit Sensoren den Feuchtigkeitsgrad der Grüns abmessen. Handwässern hat längst die komplette Beregnung der Grüns abgelöst. Der jährliche Verbrauch der Anlage mit immerhin 36 Löchern liegt in diesem Jahr bei deutlich weniger als 30.000 Kubikmetern. Von solchen Werten können die meisten Top-Golfanlagen nur träumen.
Allerdings fehlt es der britischen Golf-Industrie – genauso wie in nahezu allen anderen Ländern – an einem wirklichen Überblick zur Situation. Einen verlässlichen Datenstamm zu Verbrauch, Wasserart oder auch Kosten gibt es nicht, weshalb die BiGGA derzeit wieder mit einer Umfrage an die Clubs herantritt, um überhaupt gegenüber der Öffentlichkeit beim Thema Wasser sprechfähig zu werden.
Leitungswasser auch bei Tennis und Fußball
Damit steht die Golfindustrie nicht allein: Denn auch im englischen Tennissport und im Fußball wird für die Beregnung der Tennisplätze in der überwiegenden Zahl der Fälle Leitungswasser verwendet. Wieviel Wasser für die Beregnung der Plätze in Wimbledon während der zwei Turnierwochen verwendet wird, ist nicht öffentlich bekannt. Für die 18 Sandplätze in Roland Garros errechnete Canard Enchaine 2023 während der French Open einen Bedarf von 2000 bis 4000 Liter pro Tag, also maximal 56 Kubikmeter in zwei Turnierwochen. Die Bewässerungsfläche eines kompletten Tennisplatzes liegt in etwa bei knapp unter 700 m³ und ist damit etwas größer als die eines durchschnittlichen Grüns.
All‘ dies sind Rechenspielchen, die an den grundlegenden Herausforderungen für Golfverbände, Manager und Präsidien nicht vorbeiführen:
- Der Datenerfassung zur Erlangung einer faktisch basierten Einschätzung des Wasserverbrauchs auf Golfplätzen.
- Der deutlich stärkeren Bewusstseinsanhebung für das Thema Klimawandel und Wasser.
- Der Erstellung von Strategien bei Anlagen und Clubs zum Erreichen von hoher Resilienz beim Thema Wasser.
- Die Vernetzung von Golfanlagen mit Förderprogrammen, die Investitionen in nachhaltiges Wassermanagement fördern.
- Die Kommunikation all‘ dieser Themen an den Golfer, der erkennen muss, dass Wasser eine begrenzte und zunehmend teure Ressource ist.
Ob der Golfer damit abgeschreckt wird, von seinem Hobby? Offenbar kaum. An diesem Donnerstag jedenfalls, als wir in Wimbledon Commons an Abschlag eins und Puttinggrün vorbeilaufen, sind die Teetimes gut gefüllt. Golf ist eine Allwettersportart – das gilt nicht nur für Regen, sondern auch für Trockenheit.