Ein Erfolgsrezept im Damengolf: Förderung und Gleichberechtigung
„Nie war es besser“ – wenn Marcus Neumann, Vorstand für den Bereich Sport des Deutschen Golf Verbandes,über das Thema Damengolf spricht, klingt das Resümee der vergangenen zwei Jahre hervorragend. Sportlich etablierte sich Kontinentaleuropas zweitgrößter Verband bei den Damen unter den Top 3 Europas. Die Silbermedaille von Esther Henseleit bei den Olympischen Spielen in Paris führte für den deutschen Golfsport zu einer weit besseren Medienpräsenz als bisher. Die Tatsache, dass Helen Briem, einstige Nummer 1 der Amateurweltrangliste, in ihrem ersten Profijahr 2024 von der Deutschen Sporthilfe zur „Juniorsportlerin des Jahres“ gekürt wurde, macht klar, wie sehr sich die Beurteilung des deutschen Golfsports verändert hat. Solche Titel erhalten in Deutschland üblicherweise Turnerinnen, Schwimmerinnen, Leichathletinnen; Frauen aus Sportarten, die weit weniger mit Imageproblemen kämpfen als Golf.
Der vielleicht größte Erfolg ist nicht so offensichtlich, hat aber langfristige Wirkung: Erstmals wird Golf ab 2025 vom Deutschen Olympischen Sportbund in die Strukturen der Spitzenförderung aufgenommen. Während Bernhard Langers und Martin Kaymers Majorsiege von Sport-Politikern immer auch als Erfolge von Multimillionären betrachtet worden, wird Henseleits Silbermedaille jener von Ruderern oder Leichtathleten gleichgesetzt. Das hilft, was die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz betrifft.
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Damengolf ist in Deutschland groß, weit größer als in vielen anderen Staaten Europas. 35,1 Prozent aller Golfer in Deutschland sind Frauen, 241.339 Golferinnen sind es insgesamt. Nirgendwo in Europa sind es laut dem jüngsten Participation Report der European Golf Association mehr. Prozentual kommt nur die Schweiz mit 33,3 Prozent auf einen höheren Satz.
Warum spielen in Deutschland so viele Frauen Golf? Anders als bei den klassischen Golfnationen Schottland oder England habe sich der Sport hier erst entwickelt, als Frauensport generell schon viel weiter verbreitet gewesen sei, erklärt Neumann. Deutschland hat demnach auch davon profitiert, dass Golf hierzulande immer ein Familiensport gewesen sei. Im Golfclub meldete man die komplette Familie an, Töchter und Mütter spielten dann eben auch. Ein spezielles Frauenkonzept hat es im deutschen Golfsport nie gegeben, gleichzeitig aber auch nie ein reines Männerkonzept.
„Gleichberechtigung war bei uns auch schon vor 20 Jahren kein Thema, sie war eigentlich immer gegeben“, erklärt Neumann, der selbst Jahre als Nationaltrainer der Damen arbeitete. „Anders als in anderen Ländern kümmern wir uns schon sehr lange intensiv um Frauen. Und wir versuchen generell aus rund 40.000 Kindern das Maximum herauszuholen.“ Bedingt durch die Tatsache, dass bei den Frauen die reine Masse an Konkurrenz bei weitem kleiner sei als bei den Männern, habe man damit „jetzt sicherlich einen Höhepunkt erreicht.“
Gleichberechtigung ist nicht Gleichbehandlung
Ein Kern des deutschen Erfolgsrezepts sieht der Vorstand allerdings darin, dass Gleichberechtigung nicht 100-prozentige Gleichbehandlung bedeutet. „Im Bereich des Leistungssports stülpen wir den weiblichen Kadern nicht das gleiche Programm und Konzept über wie den Männern“, stellt er klar. Schließlich spiele hier schon vom Einstieg in den Golfsport weg der soziale Faktor eine weit größere Rolle als bei Jungen. „Wenn Mädchen oder Frauen nicht relativ schnell nach dem Start eine soziale Befriedigung erfahren, hören sie auf und suchen sie an anderer Stelle.“ Entscheidend ist deshalb die Position des Jugendwarts oder der Jugendtrainerin in einem Club, die mit möglich viel Empathie, „den Laden ins Laufen bringen.“ Diese Person wiederum brauche Anerkennung für ihr Engagement. „Frauen machen das in der Regel um der Sache willen, nicht um der nächste Präsident zu werden“, resümiert Neumann. Diese Leistung positiv hervorzuheben sei oft wichtiger als das nächste Förderprojekt des Verbandes, obwohl der DGV davon in der Jugendförderung immerhin neun für alle Leistungs- und Altersklassen habe.
Wer auf dem Gipfel steht und um sich blickt, hat die freie Sicht. Deshalb weiß Neumann auch, dass der Erfolg des Jahres 2024 keine Garantie für die Zukunft ist. Vielmehr sieht er durchaus diverse Probleme:
- Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland mit dem Golfsport begonnen haben, ist seit 2010 um rund 19 Prozent gesunken. Der DGV will diese Tendenz durch neue Förderprogramme ins Gegenteil kehren. Die Zusammenarbeit mit der Silbermedaillengewinnerin Henseleit ist nur ein Teil davon. Aber Neumann weiß auch: „In den Schulen werben inzwischen ganz viele Sportarten um die Kinder, da haben wir Konkurrenz.“
- Die demographische Entwicklung Deutschlands geht von einer deutlichen Alterung Deutschlands aus, wobei der Anteil der unter 20jährigen bei rund 19 Prozent bis 2070 bleiben soll.
- Die Diskussion um die zunehmende Abkehr vom Leistungsgedanken im deutschen Sport ist längst auch in der Golfszene angekommen. Nahezu alle Spitzengolferinnen in Deutschland hätten einen Club als Basis gehabt, der eine Art zweite Heimat gewesen sei, analysiert Neumann. Ein Ort, an dem man extrem viel Zeit verbracht habe. „Inzwischen erleben wir oft, dass Kinder nur noch von einem Termin zum nächsten gefahren werden.“
- Und dann ist da noch Asien. „Im Moment halten wir uns international gerade noch so unter den Top 10“, gibt der Sportvorstand kritisch zu. Nachdem neben der langjährigen Ausnahmenation Süd-Korea inzwischen aber auch in Japan, Thailand und China Frauengolf ein gefragter Sport ist, sei die Konkurrenz enorm.
Zeit für Investitionen
„In so einer Situation muss man vollumfänglich Gas geben“, lautet sein Fazit. „Auch wenn auf den ersten Blick alles super aussieht.“ Neumann hat mehrere Betätigungsfelder im Blick: Neben der verstärkten Förderung des Kinder- und Jugendbereichs und der Abdeckung aller Altersklassen will er international weg von der extremen Konzentration auf das amerikanische College-Golf. „Wir hier in Europa könnten mit einer eigenen reduzierten Turnierserie, an der dann aber auch wirklich alle Spielerinnen teilnehmen, wirklich viel gewinnen.“ Für dieses Projekt wird er demnächst bei anderen europäischen Verbänden werben.
Es mangelt ihm dabei nicht an Enthusiasmus. Damengolf war schon immer sein Ding. „Wenn es am besten läuft, muss man investieren und losrennen,“ sagt er. Vielleicht lässt sich das eine oder andere Zukunftsproblem dann doch noch einfangen.